6. Moosbecher winkt ihm, mit Tau gefüllt,
da hat es reichlich den Durst gestillt.
7. Wie die Sonne sinkt und es Abend wird,
im Heidekraut hat es sich verirrt.
8. Es kennt die Wege, die Stege nicht,
da schimmert vor ihm grüngoldnes Licht.
9. Glühwürmchen ist es — „Glühwürmchen, hier
ist ein Verirrter, komm leuchte mir!“
10. Glühwürmchen freundlich fliegt ihm voraus
und zeigt ihm richtig zurück ins Haus.
11. Wo Tannenwurzel sich knorrig streckt,
da liegt ein Häuschen, ist ganz versteckt.
12. „Dank’ schön!“ sagt’s Männlein und schlüpft hinein. —
Das möcht’ ein winziges Zwerglein sein.
150. Die Stopfnadel» Von Hans Christian Hndcrtcn.
Sämtliche Märchen. 28. Auflage. Leipzig 1888. 8. 655.
S§ war einmal eine Stopfnadel, die dünkte sich so fein, daß sie sich
einbildete, sie sei eine Nähnadel.
„Paßt nur hübsch auf, daß ihr mich festhaltet!" sagte die Stopf¬
nadel zu den Fingern, die sie hervornahmen. „Laßt mich nicht fallen!
Falle ich aus die Erde, so findet man mich bestimmt nimmer wieder, so
sein bin ich."
„Das geht noch an," sagten die Finger und faßten sie um den Leib.
„Seht, ich komme mit Gefolge!" sagte die Stopfnadel und zog
einen langen Faden nach sich; aber es war kein Knoten an diesem Faden.
Die Finger richteten die Nadel gerade gegen den Pantoffel der
Köchin. An dem war das Oberleder entzwei, das sollte zusammengenäht
werden.
„Das ist gemeine Arbeit!" sagte die Stopfnadel, „ich komme
nimmermehr hindurch; ich breche, ich breche!" Und wirklich, sie brach.
„Sagte ich's nicht?" sagte die Stopfnadel; „ich bin zu sein!"
„Nun taugt sie gar nichts!" sagten die Finger; aber sie mußten
sie doch festhalten; die Köchin tröpfelte Siegellack auf die Nadel und
steckte vorn ihr Tuch damit zusammen.
„So, nun bin ich eine Busennadel!" sagte die Stopfnadel. „Ich
wußte wohl, daß ich zu Ehren käme; ist man was, so wird man was!"
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