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und legt sich dann als Wächter zu seinem Freunde. Denn der Löwe
war kein anderer als der, welchem Androklus einst einen Dorn aus
dem Fuße gezogen, und mit welchem er so lange in der Wüste zu—
sammengelebt hatte. Er war gefangen und zu dem großen Feste nach
Rom geschickt worden, und hier führte ihn der Zufall mit seinem Gast—
freunde zusammen, um diesem das Leben zu retten.
Als der Kaiser die außerordentliche Zusammenkunft sah und das
versammelte Volk vor Neugier brannte, zu erfahren, wie das zugehe,
ließ er das ganze Schauspiel unterbrechen und befahl, daß Androklus
vor ihn trete. Dieser erzählte nun unter dem Beifalljauchzen aller
Anwesenden seine Geschichte, während der Löwe fortfuhr, ihn zu lieb—
kosen. Der Kaiser war gerührt und begnadigte nicht bloß den Androklus,
sondern schenkte ihm auch die Freiheit und seinen dankbaren Löwen
obendrein. Das Volk aber ruhte nicht, Androklus mußte mit dem
Löwen durch die Straßen der Stadt ziehen, damit jedermann das
wunderbare Tier sehe. Der Löwe ließ sich auch geduldig von seinem
Freunde führen, und die Leute riefen aus: „Seht da den Löwen, den
Gastfreund des Menschen, und den Menschen, den Arzt des Löwen!“
Curtman.
54. Das blinde Roß.
Auch gegen Tiere soll der Mensch nicht undankbar sein, wie jener
Kaufmann in der Stadt Wineta, den sein Schimmel wegen Undank
verklagte — Der Schimmel hatte dem Herrn schon viele Jahre treu
gedient und ihm einmal sogar durch seine Schnelligkeit das Leben ge—
rettet, als er in einem Walde von Räubern überfallen wurde. Der
Kaufmann that deshalb ein Gelübde, er wolle den Schimmel niemals
verstoßen und ihn aufs beste verpflegen, solange er leben werde. Weil
aber der Schimmel auf seiner Flucht vor den Räubern sich sehr erhitzt
hatte, so ward er bald darauf erst steif und lahm und endlich auch
blind, und der Kaufmann vergaß seiner Dienste, sowie des eigenen Ge—
lübdes. Erst ließ er das Pferd bei kärglichem Futter darben, und
weil ihm einige Liter Hafer täglich zu viel schienen für ein Pferd,
das ihm nichts mehr nützte, so befahl er seinem Knechte, den Schimmel
wegzujagen. Der nahm einen Stock, weil das Pferd nicht weichen
wollte, und trieb es aus dem Stalle. Da blieb es sieben Stunden
am Thore stehen mit niedergebeugtem Kopfe und spitzte die Ohren,
wenn etwas im Hause sich regte. Die Nacht über schlief es auf den