570
nach. Muß der Bergmann doch täglich dem Tode ins Auge schauen!
Hat er doch oft mit Feinden zn kämpfen, ans deren Händen ihm nur die
Geistesgegenwart und der unerschrockenste Mut helfen kann, mit Schwaden
und bösen Wettern, mit unterirdischen Wassern und zusammenbrechendem
Gestein! Hat er mit seinen Kameraden und seinem Steiger in der
Zechenstllbe gesungen und gebetet:
„Des Abgrunds Nachtgebilde
Sind mir nicht fürchterlich,
Mich deckt mit sicherm Schilde
Mein Gott und stärket mich.
Er bleibet bei mir immer,
Er ist's, der mich noch sieht,
Wenn auch des Tages Schimmer
Sich meinem Blick entzieht.
Bin ich in tiefen Gründen
Von Menschenhilfe fern,
Sein Arm wird mich da finden,
Er hilft und rettet gern.
Im Sinken und im Steigen
Bewahrt er meinen Fuß,
Daß jedem Unfall weichen,
Zum Glück mir dienen muß,"
dann steigt er kühn mit dem flackernden Grubenlicht die schwankende
„Fahrt" hinab. An Mut auch im Schlachtgetümmel fehlt es dem Harzer
wahrlich nicht. Und der Arm, der das Fäustel gegen das widerspenstige
Gestein so erfolgreich zn schwingen versteht, der weiß auch das Haupt
des Feindes mit gewaltiger Wucht zn treffen.
Der Geschworene Merten brauchte seine Bergleute nicht erst zu
Tapferkeit und Ausdauer zu ermahnen, das zornig blitzende Auge der
bleichen Männer sagte es ihm zur Genüge, daß sie entschlossen waren,
Haus und Hof, Weib und Kind zu schützen und zu verteidigen, koste es,
was es wolle. Noch wußten sie nicht, was zu tun war, denn die
Befehlshaber waren noch nicht zurück aus dem Kriegsrate, der zu Clausthal
gehalten wurde. Jetzt kamen sie den Zellbach heruntergesprengt, der
Major Mütschefahl und der Zehntner Diegell, der vor kurzem mit den
Truppen von Goslar zurückgekehrt war. Sie brachten die böse Nachricht:
Der Feind hat die Feldwache am Heiligenstock bereits überwältigt, der
Paß ist in seinen Händen, in einer halben Stunde kann er hier sein,
an SSiberftslitb ist nicht mehr zn denken. — Das war mehr, als man
gefürchtet hatte. Lautes Wehklagen erhob sich auf den Straßen. Aber
bei Mertens Männern überwog der Zorn die Furcht. Mütschefahl wurde
mit Bitten bestürmt, die Verteidigung nicht aufzugeben, man wolle treu
zn ihm stehen bis zum letzten Blutstropfen. Aber schon trabte Schulze
mit seinen Dragonern von Clausthal herein, Graf Sollns schloß sich ihm
an, und fort ging's iu wilder Flucht die Goslarsche Straße hinauf gen
Goslar. Nun kam auch Hollstein mit der Infanterie von Clausthal,
und Mütschefahl, der anfangs zu schwanken schien, vereinigte sich mit ihm
31t feiger Flucht.
Hatte darum die Bürgerschaft die harte Einqnartiernngslast so lange
getragen, um nun, da die Gefahr wirklich herantrat, von ihren berufenen