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J. Aus der deutschen Dichtung.
Christian Fürchtegott Gellert.
Im 17. Jahrhunderte hinderten der 30jährige Krieg mit seinem Elende,
die durch Fremdwörter entstellte deutsche Sprache und die Vorliebe für das Fran—
zösische einen weiteren Aufschwung der deutschen Dichtkunst. Erst mit Gellert
beginnt eine bessere Zeit. Er wurde in Hainichen in Sachsen als Sohn eines
Predigers geboren und wirkte in Leipzig als Professor. Seine Vorlesungen
wurden sehr zahlreich besucht; die Studenten verehrten ihn wie einen Vater uünd
schauten mit Recht in ihm das Vorbild der Demut, der Treue, des Fleißes, der
Gottesfurcht, der Liebe und Barmherzigkeit. Er that viel Gutes, obgleich er
nur wenig Gehalt hatte. Die religiöse Bildung des Volkes förderte er nament—
lich durch ine Lieder, von deneñ die schönsten auch in unferem Gesangbuche
stehen, 3. B
Wie groß ist des Allmächt'gen Güte Ur. 28.
Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht Ur. 39.
Dies ist der Tag, den Gott gemacht Ar. 2.
Mein erst Gefühl sei Preis und Dank Ur. 632.
In diesen Liedern haben Causende Trost und Erbauung gefunden. Die
sittliche Bildung förderte er durch seine Fabeln und dichterischen Erzählungen,
welche so herzlich und so heiter und so voll guter Lehren sind. Seines liebens—
würdigen und edlen Charakters wegen, der sich auch in seinen Schriften aus—
sprach, war er allen lieb und werß. Fürsten, wie z. B. Friedrich der Große,
Edelleute, Soldaten und Bauern suchten ihn auf und dankten ihm für seine
Schriften, die großen Beifall fanden; seine Fabeln lernte damals jung und alt
auswendig. Es fehlte ihm daher auch nicht an Beweisen dankbarer Cebe; sein
Kurfürst Friedrich August schenkte ihm ein frommes Pferd, weil er immer kränk⸗
lich war und seiner Gesundheit wegen reiten sollte; ein armer Bauer brachte
ihm ein Fuder Holz; Ungenannte schickten ihm Geld; ein Freiherr gab seiner
alten Mutter eine jährliche Pension; ein General verschonte um seinetwillen
seine Vaterstadt mit Einquartierung. Gellert starb 1769 nach schmerzvollen
Leiden in frommer Ergebung. Hugo Weber.
III. Der Kuckuck, Der Blinde und der Lahme, Der Bauer und sein Sohn.
V. Der Maler.
1. Der Prozelss.
Ja, ja, Prozesse müssen sein!
Gesetzt, sie varen nicht auf Erden,
wie könnt' alsdann das Mein und Dein
bestimmet und entschieden werden?
Das Streiten lehrt uns die Natur;
drum, Bruder, recht' und streite nur.
Deutsche Jugend. VI.