Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerbd.]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerbd.])

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der Choral „Nun danket alle Gott“, in den die ganze Versammlung 
einstimmte, den insbesondere auch der Kronprinz und Bismarck 
mit kräftiger Stimme mitsangen; dem Choral folgte der Segen 
des Geistlichen. Das dreifache Amen des Chores schloß die 
kirchliche Handlung, und jetzt erst schaute der König auf. Bis 
dahin war er in demütige Andacht versunken gewesen, und nun 
erblickte er an der einen Schmalseite des Saales auf der Stufenbühne, 
auf der die Mannschaften mit den Fahnen und Standarten 
aufgepflanzt waren, mitten unter diesen auch die Fahnen seines 
1. Garde⸗Regiments zu Fuß, bei dem er in die Armee eingetreten 
war, die Fahne seines Grenadier⸗-Regiments und die des Garde— 
Landwehr⸗Bataillons, dessen Kommandeur er so lange gewesen, 
und diesem Anblick widerstand er nicht. 
6. Ursprünglich hatte er auch während der Handlung, die 
nun folgen mußte, an dem Altar stehnbleiben wollen, aber als 
er jetzt seine Fahnen“ sah, änderte er seinen Entschluß. Er verließ 
den Altar und schritt auf jene Stufenbühne zu; „denn“, so sagte er 
am 20. Januar zum Geheimen Hofrat Schneider, „wo meine 
Fahnen sind, da bin ich auch.“ Die Fürsten folgten ihm, er ließ 
sie zuerst hinauftreten, stellte sich dann mitten unter sie dicht vor 
seine Fahnen hin, und hier — umrauscht von den Ruhmesfahnen 
des siegreichsten aller Heere, umweht von den Geistern großer 
Zeiten, großer Menschen und großer Taten — legte der Kaiser und 
König Wilhelm sein Kaisergelübde ab. Mit lauter, im entferntesten 
Winkel des Saales vernehmbarer Stimme verlas er die Urkunde 
über die Verkündung der Wiederherstellung des Deutschen Reichs 
und die Annahme der deutschen Kaiserwürde und ließ dann den 
Grafen Bismarck die Ansprache verlesen, die er „an das deutsche 
Volk“ erließ, und in der er sagte: „Wir übernehmen die kaiserliche 
Würde in dem Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die 
Rechte des Reichs und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu 
wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte 
Kraft seines Volkes, zu verteidigen. Wir nehmen sie an in der 
Hoffnung, daß dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn 
seiner heißen und opfermutigen Kämpfe in dauerndem Frieden 
und innerhalb der Grenzen zu genießen, welche dem Vaterlande 
die seit Jahrhunderten entbehrte Sicherheit gegen erneute Angriffe 
Frankreichs gewähren. Uns aber und Unsern Nachfolgern an der 
Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Deutschen 
Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den
	        
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