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schwarze 8 mit Kohle gemalt. Der Winter verging, der Mai 
kam heran; aber die Preise waren hoch gestiegen; denn die ge¬ 
waltigen Fluthen hatten großen Schaden gethan. Am 7. Mai 
kam ein armer Leinweber, ein ehrlicher Meister aus dem Orte. 
Sein Gesicht sah vor Hunger und Grämen selber aus, wie graue 
Leinwand. Er zahlte ihm, damit der reiche Mann Geld sähe, 
für einen halben Scheffel 3 Thlr. 22 Gr. auf den Tisch. Die 
22 Gr. bestanden aus Dreiern, Vierlingen, Groschen und Sech¬ 
sern vom alten Fritz, die man sonst wohl Stiefelknechte nannte; 
denn der Mann hatte Alles zusammengesucht. Aber der Bauer 
sprach: „Euer Aufzählen hilft euch nichts; der Scheffel kostet 8 
Thaler; das ist mein Satz. Eher thue ich meinen Boden nicht 
auf. Und dann muß es ordentlich Kourant sein." Des Bauern 
Söhnchen, ein Bürschchen von 10 Jahren, zupfte den Alten am 
Rocke: „Vater, gebt's ihm doch!" 
Aber der Vater prägte ihm mit einem Rippenstoß andere 
Grundsätze in's Herz. Der Weber mußte sein Geld zusammen¬ 
streichen und heim wandern. Den 8. Mai in der Abenddämme¬ 
rung kam die Zeitung an. Einen Blick hinein, und der Bauer 
fand, was er finden wollte: „Roggen 8 Thaler." Da zitterten 
ihm die Glieder vor Freude. Er nahm ein Licht, ging auf den 
Boden und wollte übersehen, wie viel er wohl verfahren könnte, 
und überschlagen, wie groß seine Einnahme wäre. Indem er so 
durch die Haufen und gefüllten Säcke hinschreitet, strauchelt er 
an einem umgefallenen, fällt selber, das Licht stiegt ihm aus der 
Hand und in einen Haufen Stroh, der daneben liegt. Ehe er 
sich aber ausrasten konnte, steht das Stroh in hellen Flammen. 
Ehe an Hülfe zu denken ist, hat das Feuer Dachstuhl und Die¬ 
len ergriffen. Um Mitternacht an demselben Tage, wo der Scheffel 
Roggen 8 Thaler galt, wo er auf seinen Satz gekommen war, 
wo er seinen Boden geöffnet hatte, stand er am Schutthaufen 
seines ganzen Gutes als ein armer Mann. — 
Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt 
gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? 
Matth. 16, 26. 
Jesus sprach zu Seinen Jüngern: Wahrlich, Ich sage 
euch: Ein Reicher wird schwerlich in's Himmelreich 
kommen. Und weiter sage ich euch: Es ist leichter, daß 
ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein 
Reicher in's Himmelreich komme. Matth. 19, 23. 24. 
92. Der fechtende Handwerksbursche in Anklam. 
Im August des Jahres 1804 stand in der Stadt Anklam in 
Pommern ein reisender Handwerksbursche an einer Stubenthür 
und bat um einen Zehrpfennig. Als sich Niemand sehen ließ noch
	        
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