Full text: Aus deutschen Lesebüchern (Bd. 2, [Schülerbd.])

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II. Epische Dichtungen. 
III. Gliederung. Der 1. Abschnitt (Str. 1—5) erzählt, wie der 
Meister schon viele Glocken und zuletzt die schönste derselben, die „Sünder¬ 
glocke zu Breslau", gegossen hat. 
Der 2. Abschnitt (Str. 6—28) enthält die Hauptbegebenheit: 
а) die Vorbereitung zum Gusse (Str. 6—10), b) das Verhalten 
des bei der Glocke gebliebenen Lehrlings (Str. 11—14), e) den Mord 
und die Reue des Meisters (Str. 15—19), d) des Meisters Selbst- 
anklage, seine Verurteilu ng und seine letzte Bitte (Str. 20—25), 
б) das letzte Stündlein des Meisters und seinen Tod (Str. 26—28). 
Der 3, Abschnitt (Str. 29 und 30) enthält die Weihe der Glocke. 
IV. Charakteristik des Meisters. Auf die Charakteristik des Meisters 
hat der Dichter den meisten Fleiß verwandt, und es ist ihm gelungen, 
anfangs dem Leser die volle Achtung für den Meister abzunötigen; 
und als die blutige, furchtbare Tat geschehen ist, verwandelt sich diese 
Achtung in das innigste Mitleid mit dem armen Sünder. 
Gleich zu Anfang wird der Meister uns als „ehrenwert" vorgeführt, 
und bei diesen Worten sowie bei den folgenden, „gewandt in Rat und 
Tat", denken wir nicht bloß an seine Geschicklichkeit, sondern auch 
daran, daß er von seinen Mitbürgern zu allerlei Ehrenämtern er¬ 
wählt sein mochte, weil man ihn hochschätzte. Auch seine Richter kannten 
ihn als guten Bürger; denn es tat ihnen wehe „um den wackern Mann". 
Seine Berühmtheit als Glockengießer war aber weit über Breslau 
hinausgegangen, da wir hören, daß er „viel Glocken gelb und weiß für 
Kirchen und Kapellen" gegossen hat. Der Grund zu dieser Berühmtheit 
lag besonders in der Kunst des Meisters, die Glocken so zu gießen, daß 
sie „voll, hell und rein" klangen. 
Auch betrieb er seine Beschäftigung nicht handwerksmäßig, son¬ 
dern er hielt sie für etwas Hohes; denn er goß die Glocken nur „zu Gottes 
Lob und Preis"; als Zeichen seiner warmen Begeisterung für seine 
Kunst hören wir, „er goß auch Lieb' und Glauben mit in die Form 
hinein". So kann man aber nur von jemand sprechen, der mit ganzem 
Herzen an seiner Arbeit hängt. Wie aber bei solcher Hingabe an 
seinen Berus eine Glocke immer schöner und vollkommener wurde als 
die andere, das sagen uns die Worte: „Doch aller Glocken Krone" usw. 
Es war, wie wir später hören, die letzte Glocke, die der Meister 
goß, und sie war auch die vollendetste, denn der Dichter nennt sie' „der 
Glocken Krone", also ein Meisterstück. 
Wie aber bei einem ernsten Menschen auch Überlegung vor Beginn 
der Arbeit und angestrengter Fleiß unumgänglich notwendig sind, das 
beweist unser Meister in Str. 6, wo der Dichter sagt: „Wie hat der 
gute Meister" usw. 
Sorgfalt, Bedachtsamkeit und unermüdlicher Fleiß 
waren ebenfalls nachahmungswürdige Tugenden des „guten" Meisters. 
Aber gerade sein Eifer und sein Streben, nur Herrliches und Gelungenes 
hervorzubringen, sollte für den „ehrenwerten" Meister verhängnisvoll 
werden. Sein Esser für die gute Sache schlägt um in Leidenschaft.
	        
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