innerung an alle Klagen und begehrlichen Wünsche, über welchen ich so oft
vergessen habe, wie viel Segen Gott uns gibt, und wie viel Gefahr uns
umringt, ohne zu treffen. Wir sollen uns an diese Welt nicht hängen
und nicht in ihr heimisch werden; noch 20 oder 30 Jahre im glücklichsten
Falle, und wir beide sind über die Sorgen dieses Lebens hinaus, und
unsre Kinder sind an unserm jetzigen Standpunkt angelangt und gewahren
mit Erstaunen, daß das eben so frisch begonnene Leben schon bergab
geht. Es wäre das An- und Ausziehn nicht wert, wenn es damit vorbei
wäre; erinnerst Du Dich noch dieser Worte eines Stolpmünder Reise¬
gefährten? Der Gedanke, daß der Tod ein Übergang zu einem andern
Leben ist, wird Deinen Schmerz freilich wenig lindern; denn Du konntest
glauben, daß Dein geliebter Sohn Dir die Zeit hindurch, die Du auf
dieser Erde noch lebst, ein treuer und lieber Begleiter sein und Dein An¬
denken hier in Segen fortpflanzen werde. Der Kreis derer, die wir lieben,
verengt sich und erhält keinen Zuwachs, bis wir Enkel haben. Man
schließt in unsern Jahren keine neuen Verbindungen mehr, die uns die
absterbenden ersetzen könnten. Laß uns darum um so enger in Liebe zu¬
sammenhalten, bis auch uns der Tod voneinander trennt, wie jetzt
Deinen Sohn von uns. Wer weiß, wie bald! Willst Du nicht mit
Malle nach Stolpmünde kommen, still mit uns einige Wochen oder Tage
leben? Jedenfalls komme ich in 3 bis 4 Wochen zu Dir nach Kröchlen-
dvrf oder wo Du fönst bist. Meine geliebte Malle grüße ich von Herzen,
möge Gott ihr, wie Dir, Kraft verleihn zum Tragen und geduldiger
Ergebung! Dein treuer Schwager
v. B.
8. Zu Bismarchs 70. Geburtstage. von Kaiur «uihcim 1.
Bismarck-Denkwürdigkeiten. Von Paul Liman. 2. Ausl. Berlin 1899. S. 508.
Berlin, den 1. April 1885.
Mein lieber Fürst!
Wenn sich in dem deutschen Lande und Volke das warme Verlangen
zeigt, Ihnen bei der Feier Ihres 70. Geburtstages zu betätigen, daß
die Erinnerung an alles, was Sie für die Größe des Vaterlandes getan
haben, in so vielen Dankbaren lebt, so ist es Mir ein tiefgefühltes Be¬
dürfnis, Ihnen heute auszusprechen, wie hoch es Mich erfreut, daß solcher
Zug des Dankes und der Verehrung für Sie durch die Nation geht. Es
freut Mich das für Sie als wahrlich im höchsten Maße verdiente Aner¬
kennung, und es erwärmt Mir das Herz, daß solche Gesinnungen sich in
so großer Verbreitung kund tun; denn es ziert die Nation in der Gegen¬
wart, und es stärkt die Hoffnung auf ihre Zukunft, wenn sie Erkenntnis
für das Wahre und Große zeigt, und wenn sie ihre hochverdienten Männer
feiert und ehrt.