kannte waren, nicht eher fortweisen, als bis sie alles gefragt hatten. Da konnte
man verschiedene Gesichter sehen, je nachdem Erfreuliches oder Trauriges ge—
meldet wurde: hier nn man dichtgedrängt die nach Hause Zurück—
kehrenden; dort tröstete man. Besonders laut waren bei den Frauen die
Aeußerungen der Freude und des Schmerzes. Man erzählt, eine sei in den
Armen ihres geretteten Sohnes gestorben, als sie ihn plötzlich am Tor vor sich
sah. Eine andere habe die falsche Nachricht vom Tode ihres Sohnes erhalten
und traurig zu Hause gesessen; beim Anblick ihres zurückkehrenden Sohnes sei
sie im Uebermaß der Freude tot hingefallen. Die Prätoren hielten mehrere
Tage hinter einander den Senat von Sonnenaufgang bis Untergang in der
Kurie versammelt und berieten, unter welcher Führung und mit 38 Truppen
man den siegreichen Puniern Widerstand leisten könnte.
8. Man hatte noch keinen bestimmten Beschluß gefaßt: da kam die Nachricht
von einem neuen Verluͤst. 4000 Reiter, welche der Konsul Servilius unter dem
Proprätor C. Centenius seinem Kollegen zu Hilfe geschickt hatte, seien von
Hannibal in Umbrien eingeschlossen, wohin sie sich auf die Kunde von der
Niederlage am Trasimenischen See gewandt hatten. — Diese Nachricht machte
auf die Menschen einen ganz e ee Eindruck: die einen, deren Seele
von größerem Kummer erfüllt war, hielten den neuen Verlust an Reitern für
unbedeutend im Vergleich zu den früheren Verlusten; die anderen beurteilten
das Ereignis nicht an und für sich, sondern, wie in einem schwachen Körper
eine noch so unbedeutende Krankheit mehr empfunden werde, als eine schlimme
im starken Körper, so müsse man jedes Unglück, das den kranken und geschwächten
Staat treffe, nicht nach seiner eigenen Größe bewerten, sondern nach den ge—
schwächten Kräften, die nichts ertragen könnten, was die Sache e mache.
Deshalb nahm die Bürgerschaft zu einem Heilmittel seine Zuflucht, das lange
weder begehrt noch angewandt war: zur Wahl eines Diktators. Und weil
der Konsul abwesend war, von dem er allein ernannt werden konnte, wie man
meinte, und weil durch das vom Feind besetzte Italien weder Boten noch Briefe
zu ihm geschickt werden konnten: so wählte das Volk zum Diktator Qu. Fabius
Maximus und zum Reiterobersten den M. Minucius Rufus. Diese erhielten
vom Senat den Auftrag, die Mauern und Türme der Stadt zu sichern und
überall, wo es nötig schien, Besatzungen zu verteilen und die Brücken abzubrechen;
da man Italien nicht schützen könne, müsse man für Stadt und Herd kämpfen.
9. Hannibal zieht nach Unteritalien
Qu. Fabius Maximus berief gleich am Tage seines Amtsantritts den Senat
und begann mit den Göttern. Er führte aus, daß vom Konsul C. Flaminius
mehr durch Vernachlässigung der Cärimonien und Auspizien gefehlt
sei als durch Unbesonnenheit und Mangel an Erfahrung; man müsse die Götter
selbst befragen, durch welche Mittel ihr Zorn gesühnt werden könnte. Deshalb
setzte er dürch, daß die Zehnmänner den Auftrag erhielten, die Sibyllinischen
Büucher zu befragen; was gewöhnlich nur geschah, wenn garstige Prodigien ge—
meldet waren. — Nach Einsicht der ehen berichteten diese: n mit
Bezug auf diesen Feldzug dem Mars gelobt sei, wäre nicht richtig ausgeführt und
müsse von neuem und reichlicher ausgeführt werden; man n dem Juppiter
große Spiele, der Venus Eruzina und der Mens Tempel geloben, einen Bittgang
und eine Göttermahlzeit veranstalten und einen i Frühling geloben: für
daß der Krieg glücklich auslaufe und der Staat ungeschmälert bleibe.
— Weil der Diktator mit der Sorge für den Krieg beschäftigt sei, so erhielt
der Prätor M. Aemilius den Auftrag, alles nach den Anordnungen des Priester—
kollegiums schnell ausführen zu lassen.
10. Als diese Senatsbeschlüsse zustande gekommen waren, erklärte der Ober—
priester (pontifex maximus) L. Cornelius Lentulus auf Befragen des Prätors, zu
allererst müsse das Volk wegen des heiligen Frühlings befragt werden; ohne
Geheiß des Volkes könne man denselben nicht geloben. Es wurde nun das
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