Full text: Beiträge zur Behandlung der mecklenburgischen Geschichte in der Volksschule

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Nicht weniger gut als bei Luther gefiel es unferm Slüter 
be: Melanchthon. So schwer das Griechische und hebräische 
auch war, bei einem solchen Lehrer wurde das Lesen des 
Alten und Neuen Testaments beinahe zum Spiel. 
Als Slüter ungefähr zwei Jahre in Wittenberg gewesen 
war, kehrte er, mit Wissenschaft reich beladen und für die 
Luthersche Lehre stark begeistert, nach Mecklenburg zurück, 
hter regierten damals zwei Fürsten, nämlich Heinrich der 
Friedfertige, der ein Freund des neuen Glaubens war, und 
Albrecht der Schöne, der es mit den Katholiken hielt. Durch 
Heinrichs Gunst erhielt Slüter eine Lehrstelle an der Kirchspiel* 
schule von St. Peter in Rostock. Z)er neue Lehrer freute sich 
wie ein König, daß er jetzt auch den Glauben, das Vaterunser 
und die Gebote den Kindern auslegen und erklären durfte. 
Noch größer wurde feine Freude, als er vom Herzog Heinrich 
zum Prediger von St. peter ernannt wurde. Gr trachtete 
nun danach, auch so schlicht und einfach zu den gewöhnlichen 
Leuten zu reden, wie Luther es fo meisterhaft verstand. Darum 
sprach er in seiner predigt plattdeutsch; und so betriff auch der 
einfältigste Mann, was Slüter über die neue Lehre zu sagen 
wußte. Die Zahl seiner Hörer wuchs. Besonders die kleinen 
Bürger und Handwerker sowie die Arbeiter, namentlich auch 
viele Frauen drängten sich in seinen Gottesdienst, wie einst 
die phartfäer und Schriftgelehrten mit Neid auf den Herrn 
Jesus und die Scharen seiner Begleiter sahen, so hier die 
katholischen priester auf Slüter. Doch vorläufig hatte dieser 
noch Ruhe. Als er aber auf der Kanzel verkündigte, daß vom 
Ablaß und der Messe nichts in der heiligen Schrift stünde, 
da gerieten zahlreiche priester und Mönche der Stadt in 
mächtigen Aufruhr; und einer sprach zum andern: „Sollen 
wir uns solchen Ketzerprediger noch länger in Rostock gefallen 
lassen? hinweg mit ihm!" Und einer von ihnen setzte sich hin, 
schrieb ein kleines Buch über die Messe, stellte acht Thesen 
darüber auf und verlangte jetzt von Slüter, daß er sich über 
die Sätze vor allen Professoren mit ihm streiten solle. Slüter 
verfaßte eine Gegenschrift und war zu einem Religionsgespräch 
über die Messe bereit. Allein der Rostocker Rat verbot den 
Streit, vielleicht weil er glaubte, daß es zwischen den Anhängern 
des alten und des neuen Glaubens zu argem Zwist und zu 
Unruhen in der Stadt kommen könnte. So unterblieb das 
Gespräch, weil aber die Gegner Slüters ihn nicht im öffent¬ 
lichen Redestreit hatten bekämpfen dürfen, so gingen sie jetzt 
mit andern Mitteln gegen ihn vor. (Eines Abends, als er 
noch eifrig in feinem Zimmer arbeitete, hörte er plötzlich ein 
Geräusch auf dem Flur, wie er hinausleuchtete, erblickte er 
mehrere vermummte Gestalten, welche blitzschnell ein Beil aus 
ihrem Mantel hervorzogen und auf Slüter eindringen wollten.
	        
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