138 Beschreibende Prosa. VII. Geographische Bilder.
68. Das Meer.
Nach Theodor Schacht Lehrbuch der Geographie. Main«, 1851.
Das Meer oder die See ist die ungeheure, zusammenhängende
Wassermasse, welche die größten Länder oder Weltteile umgiebt und
auf der Oberfläche der Erde mehr Raum einnimmt als das feste
Land. Alles feste Land: und alle Meerinseln ragen über der Ober¬
fläche der See hervor. Der Meeresspiegel ist also auf der Erde die
am niedrigsten gelegene große Fläche, an deren Rande (Ufer, Ge¬
stade) sich überall das Land erhebt. Die Landstriche am Meeres¬
ufer entlang heißen Küsten.
Das Meer dünstet stark aus und liefert den Ländern zu ihrer
nötigen Befeuchtung mehr Wolken, als sie durch eigene Ausdünstung
erzeugen würden. Dennoch bleibt es gleich groß, weil Quellen an
seinem Grunde und die unzähligen Flüsse aller Länder ihm stets
neues Wasser zuführen. Soviel man den Grund und Boden des
Meeres kennt, ist er der Oberfläche des Landes ähnlich. Er hat
ebensolche Abwechselung von Ebenen, Hügeln, Thälern, Bergen und
Felsen; er ist mit Schlamm, Sand, festem Gestein oder Klippen, mit
Seepflanzen und Schaltieren bedeckt. Die über den Meeresspiegel
hervorragenden Inseln sind die höchsten Gipfel oder Bergrücken der
auf dem Grunde des Wassers sich erhebenden Gebirge. Die Tiefe
des Meeres ist natürlich höchst verschieden. An manchen Stellen
ist es seicht, so daß man den Sand- oder Steingrund ganz nahe er¬
blickt. Die Schiffe haben sich vor solchen Stellen, wo Sand- und
Felsbänke oder Klippen liegen, in acht zu nehmen, damit sie nicht
festfahren. An anderen Stellen ist es so tief, daß kein Senkblei auf
den Grund kommt. Wo eine Küste sich flach ans Meer abdacht,
streicht gewöhnlich diese schräge Richtung des Bodens noch weit
ins Meer hinein und verursacht, daß dasselbe nahe dem Ufer nur
geringe Tiefe hat. An steilen Küsten senkt sich auch der Meeres¬
grund schnell abwärts.
Das Meerwasser ist auf seiner Höhe, d. i. fern vom Lande, dun¬
kelgrünblau; nahe der Küste ist es heller. Ziehen finstere Wolken
am Himmel hin, so ist es aschgrau. Bei völliger Windstille malt
sich am Tage die blaue Luft mit ihren hellen oder gefärbten Wolken
und nachts der prächtig gestirnte Himmel im Spiegel seiner glatten
Oberfläche. Es ist aber selten so ruhig; Wind und Sturm erregen
Wellen, die sich oft sieben Meter, ja an Felsküsten, wo es brandet, d. h.
wo acht oder mehr Wellen übereinander schlagen, an fünfzehn Meter
hoch aufbäumen. Fast immer in Bewegung, wird es eben dadurch wie
durch eine große Beimischung salzigbitterer Stoffe vor Fäulnis bewahrt
Diese Stoffe haben wahrscheinlich in vielen Gegenden des Meergrun¬
des ungeheure Lager, um den Ocean trotz des unaufhörlichen Zu-