Full text: [Bd. 1 = 1. Kl, [Schülerband]] (Bd. 1 = 1. Kl, [Schülerband])

5t. Nikolaus 
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trabten munter im Schnee auf der Straße weiter, wiederholten 
miteinander Fragen des Kanisi und Erzählungen der biblischen 
Geschichte, und wenn wir aus einem weitabliegenden Einödhofe 
ein Licht schimmern sahen, so fragten wir, unsere Wiederholungen 
unterbrechend, ob der Nikto vielleicht schon eingekehrt sei, und 
wir beschleunigten unsere kleinen Schritte um ja bald heimzu¬ 
kommen und den Niklo nicht zu versäumen. 
Langten wir dann mit den vor Kälte rotbrennenden Wangen 
auf dem Hofe an und hatten wir die harten Schneebällen an der 
Schwelle von den Füßen gestoßen, so war die erste Frage an die 
freundlich lächelnde Mutter: „Ist der Niklo schon dagewesen?" 
Welch' ein Stein fiel uns vom Herzen, wenn die Frage, wie 
natürlich, verneint wurde! Also, wir hatten ihn nicht versäumt, 
wir hatten ihn noch zu erwarten! Darum entledigten wir uns 
schleunigst unsrer Schulkleidung, überzeugten uns, daß die Mutter 
wirklich für jedes von uns einen Teller vors Fenster gestellt, 
worauf St. Nikolaus seine Gaben legen könne, und zogen uns auf 
die Bank hinterm Eichentisch zurück, der im Herrgottswinkel stand. 
Beim Schein des Kienspanleuchters hatte jedes noch in seinen 
Büchern diese und jene Frage genauer nachzulesen; aber beim 
geringsten Geräusche, das im Hausgange oder draußen im Hofe 
auf dem knirschenden Schnee sich hören ließ, fuhren unsre Augen 
auf und nach der Türe zu. 
Es war die Magd oder ein Knecht gewesen, der zum Stalle 
ging. Es war doch eine rechte Feierlichkeit an diesem Abende! 
Die Mutter hantierte am Herde so ruhig; der Vater, der sonst 
um diese Zeit bei den Pferden im Stalle verweilte, saß heute, 
sein Pfeifchen rauchend, schon vor der Abendsuppe auf der Ofen¬ 
bank, und es war so still in der Stube, daß man unsere jungen 
Herzen hätte schlagen hören können, wenn nicht das Feuer im 
Ofen geknistert und die Mimi auf dem Stuhl geschnurrt hätte. 
Horch, war das nicht Kettengeklirr? Wahrhaftiger Gott! 
Jetzt wird's Ernst! Ein mächtiger Schritt nahte sich über den 
Hof der Haustüre, bei jedem Tritte klangen Ketten; jetzt rumpelte 
es an der Haustüre, daß wir alle erschraken und jung Hänschen 
sich unter den Tisch verkroch. Der Vater erhob sich von der 
Bank, öffnete die Stubentüren, daß der Lichtschein auf den Fletz
	        
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