Full text: [Bd. 1 = 1. Kl, [Schülerband]] (Bd. 1 = 1. Kl, [Schülerband])

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St. Nikolaus 
tür, daß der Lichtschein wieder auf den Fuß fiel, und verab¬ 
schiedete sich am Hausgatter mit den Worten: „Gut' Nacht, hei¬ 
liger Niklo! Kommt's aufs Jahr wieder, und nimmer gar z'fleißi 
heut!" 
Wir Kinder in der Schule lauschten nach den Fenstern. 
Wegen der draußen herrschenden Finsternis konnten wir nichts 
sehen; wir hörten nur die Schritte des sich entfernenden Niklo, 
wie sie immer schwächer "vernehmlich wurden, und als wir sie 
nimmer hörten, kam der Vater herein und trug zwei aufgehäufte 
Teller und ihm auf dem Fuße folgten der Knecht und die Magd, 
von denen jedes ebenfalls einen vollen Teller trug. Herr meines 
Lebens, war das eine Lust für uns Kinder, als jedem sein Teil 
auf den Tisch geleert wurde! Da waren Hasel- und Welschnüsse, 
Birnen und Äpfel in allen Sorten: Leder-, Zwiesel- und Gold¬ 
äpfel, Marschanzker usw. Wie sie so frisch waren und rotbackig! 
Und wie sich jedes rühmte, daß es seine Sache so gut gemacht! 
Und dann ging es an ein Fragen, warum der Knecht nicht in 
die Stube gekommen sei, während der Niklo da war. 
Da schmunzelte die gute Seele und beteuerte aufs höchste, 
daß er grausam furchtsam sei. Es sei schon schrecklich lang, daß 
er aus der Schule sei und sein Gedächtnis sei nimmer so gut 
und da habe er halt Angst gehabt, der Niklo möchte auch eine 
Frage an ihn stellen, und wenn er sie dann nicht hätte beant¬ 
worten können, so wär's ihm ein kleiner Schrecken gewesen, wenn 
er auch in den Sack gesteckt worden wäre. Darüber mußten wir 
hellauf lachen, und unter Lachen wurde der Tisch wieder abge¬ 
räumt, damit die Suppe aufgetragen werden konnte. Lange über 
die gewöhnliche Zeit wurde aufgeblieben und St. Nikolaus war 
der Stoff aller Gespräche. Als wir schon im Bett lagen, jedes 
einen Niklo-Apfel auf dem Tuchet, plauderten wir noch vom 
Niklo; noch im Traume beschäftigte er unsern Sinn, und heute 
noch, wo der damalige Knabe um dreißig Jahre älter geworden, 
tritt mir das Iugendbild so frisch und farbensatt vor die Seele, 
als wär' der Strom der Zeit gar nicht an mir vorübergesaust und 
als wär' ich noch der kleine Bub vom „Haidenhof". 
Johannes Mayerhofer.
	        
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