Full text: [Teil 5 = [Kl. 5], [Schülerband]] (Teil 5 = [Kl. 5], [Schülerband])

Um vier, um zwei Uhr morgens, oft schon um Mittnacht, je nach der 
Länge der Reise, brechen die Männer ans. Ist der Wind günstig, wird das 
Segel gesetzt, und gruselig gespenstig sieht sich's an, wenn zehn bis fünfzehn 
dieser pechschwarzen Riesensegel hintereinander durch die Wiesenniederungen 
gleiten zum Torfhafen in Bremen, zum Stapelplatz in Osterholz-Scharmbeck 
oder bis Bremerhaven hinunter. Aber bei Widerwind kann der Schiffer 
nicht gemächlich die langen Stunden, auf seiner Ladung sitzend, die Ufer an 
sich vorübergleiten lassen, die bekannten Gehöfte der Nachbarkolonie, die 
Fahrhütten an der Hamme oder Lesum, einsame Windmühlen und die roten 
Ziegeldächer ferner Dörfer, die von hoher Geest aus Föhren oder Laub¬ 
gehölzen freundlich herüberschimmern. Da muß er sein Boot selber bewegen, 
indem er das lange Schiebruder gegen die Kanalböschung stemmt und sich 
vorwärts stößt. 
Und heimwärts, stromauf und die schweren Stanklappen entlang, wird 
er sogar auf dem Leinpfad neben dem Kanal herschreiten und das leere Boot 
am Tau hinter sich herziehen müssen. 
Zweimal in der Woche wird die Fahrt unternommen. An den Torf¬ 
häfen warten schon die „Brockelweiber", so genannt nach den zerbröckelten 
Törsen, die ihr Teil sind, auf jedes ankommende Schiff, um unter Zank 
und Geschrei die Ladung schleunig in die bereitstehenden Wagen zu packen, 
die Jan vom Moor dann persönlich zu seiner Kundschaft fährt, falls er es 
nicht vorzieht, seine Ware gleich am Ort an einen Händler loszuschlagen. 
In jedem Fall ist sein Beutel schwer, wenn er heimfährt. 
Und es tut ja auch not, daß Geld ins Haus kommt. Zn Michaelis 
ist die Pachtsumme für die Wiesen fällig, die jeder Moorbauer auf der 
Geest hat. Das harte, bittere Moorgras gibt nur geringwertiges Heu. — 
Der Herbst ist auch die Zeit der großen Märkte, auf denen der abgängige 
Hausrat ersetzt, der fette Ochse zum Einschlachten für den Winter ge¬ 
kauft wird. 
So fährt denn der Torfbauer seine Ernte unermüdlich die schmalen Ka¬ 
näle entlang zu Markt. Grün ist das Laub der Birken über seinem Haupt, 
wenn er seine Fahrten beginnt. Bald rieselt es als goldener Regen auf ihn 
und sein Schiff herab. Er fährt, bis der Nordwest das letzte Blatt von den 
Zweigen gestreift hat, er fährt, bis der Frost ihm die Wasserstraße schließt 
und der Schnee die Landstraßen unwegbar macht. 
Dann beginnen die Feierwochen für die hartarbeitenden Moormenschen. 
Gemiitlichkeit tritt an die Stelle überhastigen Schaffens. Zwei Fleischmahl¬ 
zeiten am Tage setzt die Bäuerin ans den Tisch. Die langen Pfeifen kommen 
zu Ehren. Der Vater liest in der Bibel oder im Kalender. Die Dirnen 
machen feine Webereien oder Stickereien. Es gibt keine Wirtshäuser im 
Moor, aber die Nachbarn finden sich täglich znsanunen in den warmen 
Stuben, während' draußen der Sturm über das flache Land pfeift, der 
Schnee ununterbrochen herunterrieselt, dicke Polster auf die Strohdächer legt
	        
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