Um vier, um zwei Uhr morgens, oft schon um Mittnacht, je nach der
Länge der Reise, brechen die Männer ans. Ist der Wind günstig, wird das
Segel gesetzt, und gruselig gespenstig sieht sich's an, wenn zehn bis fünfzehn
dieser pechschwarzen Riesensegel hintereinander durch die Wiesenniederungen
gleiten zum Torfhafen in Bremen, zum Stapelplatz in Osterholz-Scharmbeck
oder bis Bremerhaven hinunter. Aber bei Widerwind kann der Schiffer
nicht gemächlich die langen Stunden, auf seiner Ladung sitzend, die Ufer an
sich vorübergleiten lassen, die bekannten Gehöfte der Nachbarkolonie, die
Fahrhütten an der Hamme oder Lesum, einsame Windmühlen und die roten
Ziegeldächer ferner Dörfer, die von hoher Geest aus Föhren oder Laub¬
gehölzen freundlich herüberschimmern. Da muß er sein Boot selber bewegen,
indem er das lange Schiebruder gegen die Kanalböschung stemmt und sich
vorwärts stößt.
Und heimwärts, stromauf und die schweren Stanklappen entlang, wird
er sogar auf dem Leinpfad neben dem Kanal herschreiten und das leere Boot
am Tau hinter sich herziehen müssen.
Zweimal in der Woche wird die Fahrt unternommen. An den Torf¬
häfen warten schon die „Brockelweiber", so genannt nach den zerbröckelten
Törsen, die ihr Teil sind, auf jedes ankommende Schiff, um unter Zank
und Geschrei die Ladung schleunig in die bereitstehenden Wagen zu packen,
die Jan vom Moor dann persönlich zu seiner Kundschaft fährt, falls er es
nicht vorzieht, seine Ware gleich am Ort an einen Händler loszuschlagen.
In jedem Fall ist sein Beutel schwer, wenn er heimfährt.
Und es tut ja auch not, daß Geld ins Haus kommt. Zn Michaelis
ist die Pachtsumme für die Wiesen fällig, die jeder Moorbauer auf der
Geest hat. Das harte, bittere Moorgras gibt nur geringwertiges Heu. —
Der Herbst ist auch die Zeit der großen Märkte, auf denen der abgängige
Hausrat ersetzt, der fette Ochse zum Einschlachten für den Winter ge¬
kauft wird.
So fährt denn der Torfbauer seine Ernte unermüdlich die schmalen Ka¬
näle entlang zu Markt. Grün ist das Laub der Birken über seinem Haupt,
wenn er seine Fahrten beginnt. Bald rieselt es als goldener Regen auf ihn
und sein Schiff herab. Er fährt, bis der Nordwest das letzte Blatt von den
Zweigen gestreift hat, er fährt, bis der Frost ihm die Wasserstraße schließt
und der Schnee die Landstraßen unwegbar macht.
Dann beginnen die Feierwochen für die hartarbeitenden Moormenschen.
Gemiitlichkeit tritt an die Stelle überhastigen Schaffens. Zwei Fleischmahl¬
zeiten am Tage setzt die Bäuerin ans den Tisch. Die langen Pfeifen kommen
zu Ehren. Der Vater liest in der Bibel oder im Kalender. Die Dirnen
machen feine Webereien oder Stickereien. Es gibt keine Wirtshäuser im
Moor, aber die Nachbarn finden sich täglich znsanunen in den warmen
Stuben, während' draußen der Sturm über das flache Land pfeift, der
Schnee ununterbrochen herunterrieselt, dicke Polster auf die Strohdächer legt