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Schiller.
„Und auch ich hab' ihn gesehen,
Den das Herz verlangend wählt;
Seine schönen Blicke flehen,
Bon der Liebe Glut beseelt.
Gerne möcht' ich mit dem Gallen
In die heim'sche Wohnung ziehn;
Doch es tritt ein styg'scher Schatten
Nächtlich zwischen mich und ihn."
„Ihre bleichen Larven alle
Sendet mir Proserpina;
Wo ich wandre, wo ich walle,
Stehen mir die Geister da;
Zn der Jugend frohe Spiele
Drängen sie sich grausend ein.
Ein entsetzliches Gewühle!
Nimmer kann ich fröhlich sein."
„Und den Mordstahl seh' ich blinken
Und das Mörderauge glühn;
Nicht zur Rechten, nicht zur Linken
Kann ich vor dem Schrecknis sliehn:
Nicht die Blicke darf ich wenden,
Wissend, schauend, unverwandt
Muß ich mein Geschick vollenden,
Fallend in dem fremden Land." —
Und noch hallen ihre Worte —
-Horch, da dringt verworrner Ton
Fernher aus des Tempels Pforte,
Tot lag Thetis' großer Sohn!
Eris schüttelt ihre Schlangen,
Alle Götter fliehn davon,
Und des Donners Wolken hangen
Schwer herab auf Ilion.
120. Das Mädchen ans der fremde.
(1796.)
In einem Thal bei armen Hirten
Erschien mit jedem jungen Jahr,
Sobald die ersten Lerchen schwirrten.
Ein Mädchen, schön und wunderbar.
Sie war nicht in dein Thal geboren,
Man wußte nicht, woher sie kam;
Und schnell war ihre Spur verloren,
Sobald das Mädchen Abschied nahm.
Beseligend ivar ihre Nähe,
Und alle Herzen wurden weit;
Doch eine Würde, eine Höhe
Entfernte die Vertraulichkeit.
Sie brachte Blumen mit und Früchte,
Gereift auf einer andern Flur,
In einem andern Sonnenlichte,
Zn einer glücklichern Natur.
Und teilte jedem eine Gabe,
Dem Früchte, jenem Blumen aus;
Der Jüngling und der Greis am
Stabe,
Ein jeder ging beschenkt nach Haus.
Willkommen waren alle Gäste;
Doch nahte sich ein liebend Paar,
Dem reichte sie der Gaben beste,
Der Blumen atterschönste dar.
121. Ächützenlied. *)
(1803.)
Mit dem Pfeil, dem Bogen
Durch Gebirg und Thal
Kommt der Schütz gezogen
Früh am Morgenstrahl.
Wie im Reich der Lüfte
König ist der Weih:
Durch Gebirg und Klüfte
Herrscht der Schütze frei.
*) Aus „ielT