Full text: Auswahl deutscher Gedichte für höhere Mädchenschulen

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II. Aus der römischen Vorgeschichte. 
4. Die Auswanderung der Plebejer auf den 
Heiligen Berg. 
Die Not der § 31. Die fortwährenden Kriege Roms lasteten namentlich 
Plebejer, auf den armen Plebejern hart. Die Römer zahlten nämlich 
in der damaligen Zeit noch keinen Sold, so daß die unbemittelten, 
zur Fahne einberufenen Leute weder ihr Feld bestellen, noch 
ihrem Gewerbe nachgehen konnten und Schulden machen mußten. 
Der Zinsfuß war aber in damaliger Zeit sehr hoch und das 
Schuldrecht sehr hart, so daß jeder, der seinen Gläubiger nicht 
bezahlen konnte, in Arbeitshäusern (ergastula) so lange gefangen 
gehalten wurde, bis er allen Verpflichtungen nachgekommen war. 
Daher war es durchaus keine Seltenheit, daß die braven Sol- 
baten, die soeben unter Einsetzung ihres Blutes und Lebens die 
Freiheit bes Vaterlanbes verteibigt hatten, in bie Heimat zurück- 
gekehrt, in ben Kerker geworfen wurden. Laut murrten bie Ple- 
bejer über biese Ungerechtigkeit, boch bie Patricier kannten kein 
Mitleib. 
Auswanderung Da (494 v. Chr) entschlossen sich bie Plebejer bazn, Rom 
Heiligen Berg 3U verlassen und auf den Heiligen Berg, welcher außerhalb der 
494 v. Chr. Stadt lag. auszuwanbern. Dabnrch gerieten bie Patricier in 
große Not unb suchten die Plebejer zur Rückkehr zu bewegen. 
Vergeblich! Die Plebejer beharrten auf ihrem Entschlüsse, auf 
dem Heiligen Berge ein selbständiges Gemeinwesen zu gründen. 
Menenius § 32. Endlich aber wurden sie durch eine Rede des Mene- 
Agrippa. nius Agrippa zur Nachgiebigkeit bewogen. Dieser nämlich er- 
zählte ihnen folgendes Gleichnis: 
„In der Zeit, wo die einzelnen Teile des Menschen nicht, 
wie jetzt, zu einem untrennbaren Ganzen verbunden waren, son- 
bem bie einzelnen ©lieber selbstänbig rebett unb benken konnten, 
waren sie barüber unwillig, baß alle ihre Arbeit unb Mühe nur 
bem Magen zu gute komme. Der Magen pflege behaglicher 
Ruhe unb thue nichts, als bie bargebotenen Genüsse zu sich zu 
nehmen. Darauf verschworen sich bie ©lieber, baß bie Hanb bie 
Speisen nicht zum Munbe führen, ber Munb sie nicht annehmen, 
bie Zahne sie nicht kauen sollten. 
Hierburch kam aber nicht nur ber Magen, sonbern auch alle 
©lieber bem Verberben nahe. Diese sahen jetzt also ein, baß auch ber 
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