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rief, die Hände gen Himmel gestreckt, die Götter zu Zeugen seiner
Unschuld an, legte sich über das Lager des Königs und beschwor ihn,
getrost zu sein und sich auf ihn ganz zu verlassen. Die Arznei wirkte
anfänglich mit großer Heftigkeit auf den Körper, so daß der Kranke
Bewußtsein und Sprache verlor und nur noch sehr schwache Zeichen
des Lebens von sich gab. Bald aber zeigten sich wohltätige Wirkungen;
der König wurde wiederhergestellt und erschien, sobald es seine Kräfte
erlaubten, wieder unter seinen Mazedoniern, welche sich nicht eher von
ihrer Mutlosigkeit erholten, als bis sie Alexander selbst gesehen hatten.
b) Rom.
111. Äneas.
(Ludwig Stacke, Erzählungen aus der römischen Geschichte.)
Als die Griechen auf den Rat des Odysseus mit Hilfe des hölzernen
Pferdes Troja in ihre Gewalt bekommen hatten, entrann Aneas, der
Sohn des Anchises und der Göttin Venus, mit seinem Vater und
seinem Sohne dem allgemeinen Verderben. Göttersprüchen vertrauend,
durchsegelte er mit seinen Gefährten das weite Meer, um sich im
fernen Westen eine neue Heimat zu suchen. Nach jahrelangen Irr¬
fahrten, auf denen er wunderbare Abenteuer und Mühsale aller Art
zu bestehen hatte, landete er endlich in. Latium, einer Landschaft an
der Westküste von Italien. Hier wohnte das Volk der Aboriginer,
über die König Latinus herrschte.
Die göttliche Abkunft des Aneas und das verhängnisvolle Schicksal
der Trojaner bewogen den König, die Fremdlinge freundlich auf¬
zunehmen und dem Aneas seine Tochter Lavinia zur Gemahlin zu
geben. Aneas baute eine Stadt und nannte sie seiner Gemahlin zu
Ehren Lavinium. Doch dem Latinus und den neuen Ankömmlingen
drohte noch ein schwerer Kampf. Turnus, der König der Rutuler,
dem Lavinia früher verlobt gewesen war. sah mit Unwillen, daß ihm
der Fremdling Aneas vorgezogen ward, und beschloß, Rache zu nehmen.
Es kam zum Kriege; auf der einen Seite stand Turnus mit seinen
Rutulern, auf der andern Aboriginer und Trojaner unter Latinus
und Aneas. Turnus ward geschlagen, aber die Trojaner und Aboriginer
hatten den Verlust des Latinus zu beklagen, der im Treffen geblieben
war. Nun ward Aneas König und verband Trojaner und Aboriginer,
die einander an Treue und Liebe zu ihrem Herrscher nichts nachgaben,
zu einem einzigen Volke mit dem Namen Latiner. Im Vertrauen
aus die Liebe seines Volkes konnte Aneas der Erneuerung des Kampfes