^akob und Milketm Grimm.
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ißärcben und Sage.
Es wird dem Menschen von Heimats wegen ein guter Engel
beigegeben, der ihn, wann er ins Leben auszieht, unter der vertrau¬
lichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet; wer nicht ahnt, was
ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die Grenze
des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt. Diese wohltätige
Begleitung ist das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen und Ge¬
schichte, welche neben einander stehen und uns nach einander die Vor¬
zeit als einen frischen und belebenden Geist nahe zu bringen streben.
Jedes hat seinen eigenen Kreis. Das Märchen ist poetischer, die
Sage historischer; jenes steht beinahe nur in sich selber fest in seiner 10
angeborenen Blüte und Vollendung; die Sage, von einer geringeren
Mannigfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas
Bekanntem und Bewußtem Haftel, an einem Orte oder einem durch
die Geschichte gesicherten Namen. Aus dieser ihrer Gebundenheit folgt,
daß sie nicht, gleich dem Märchen, überall zu Hause sein könne, sondern
irgend eine Bedingung voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da,
bald nur unvollkommener vorhanden sein würde. Kaum ein Flecken
wird sich in Deutschland finden, wo es nicht ausführliche Märchen zu
hören gäbe; manche, an betten die Volkssagen bloß dünn und sparsam
gesät zu fein pflegen. Diese anscheinende Dürftigkeit und Unbedeutend- 20
heit zugegeben, sind sie dafür innerlich auch weit eigentümlicher; sie
gleichen den Mundarten der Sprache, in benett hin und wieder sonder¬
bare Wörter und Bilder aus uralten Zeiten hängeil geblieben silld,
während die Märchen ein ganzes Stück alter Dichtung, sozusagen in
einem Zuge, zu uns übersetzen. Merklvürdig stimmen auch die er¬
zählenden Volkslieder entschieden mehr zu den Sagen als zu bett
Märchen, die wiederum in ihrem Inhalte die Anlage der frühesten
Poesien reiner ttnb kräftiger bewahrt haben, als es sogar die übrig