Full text: Deutsches Lesebuch für Lehrer- und Lehrerinnen-Seminare

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Draht von 140 Meilen Länge ziehen. Dabei benimmt sich auch das Gold dem 
schneidenden Messer gegenüber so weich und mild, läßt sich so biegen und drehen, 
wie kaum ein anderes Metall. Zuweilen haben die Menschen an der Lauterkeit 
und Einfachheit seines Wesens gezweifelt; aber durch keinen Versuch, den man 
mit ihm ansiellte, ließ es sich aus seiner gleichmäßigen Haltung bringen. Man 
warf es in Essig, der das Kuͤpfer und Eisen so leicht angreift; man überschüttete 
es mit der zersidrenden Schwefelsäure und noch stärkeren Flüssigkeiten, die so 
manche feste Bande der Körperlichkeiten lösen: aber das Gold verschmähete die 
Vermischung seiner altadeligen Natur mit den künstlichen Erzeugnissen der 
Menschen; im Essig wie in der Schwefelsäure und in der Schmelzhitze blieb es 
immer dasselbe einfache lautere Wesen. Ja, im Feuer zeigt sich das Gold so 
beständig daß bei einem in dieser Absicht angestellien Versuche ein Lot Gold in 
einer stärken Hitze, welche zwei Monate lang unterhalten wurde, nicht das Ge— 
ringste von seiner Schwere verlor. 
Das Gold schmilzt etwas leichter als Kupfer, nämlich sobald es durchgeglüht 
it, und wird unter allen Metällen am heißesten. Während des Schmelzens 
schimmert auf der Oberfläche eine sanfle grüne Farbe. Steigert man die Hitze 
auf außerordentliche Weise, wenn man das Gold in den Brennpunkt großer 
Brennspiegel bringt, so wird es in einem dünnen Rauche aufgetrieben, der, wenn 
man kaltes Silber darüber hält, sich anhängt und dasselbe vergoldet. Auch mit 
dem Quecksilber vermischt sich das Gold gern, aber nur so, wie man etwa Mehl 
n Wasser auflost. Man erhält auf diese Weise einen Goldteig, mit dem man 
chiedene Gegenstände, z. B. Porzellangefäße bestreicht. Setzt man die also 
estrichenen Gefaße in die Gluͤhhide eines Osens, fo wird das Quecksilber flüchtig, 
eilt däͤvon und läßt die reine Vergoldung zurück. 
In den vergangenen Jahrhunderten hat sich mancher den Kopf zerbrochen 
und dem lieben Gott das Geheimnis ablauschen wollen, woraus denn das Gold 
gentlich gemacht sei. Aber die Weisen, indem sie diesen Stein der Weisen 
suchten sind zu Thoren geworden, und alle ihre Mühe war vergebens. Der 
Mitige Schöpfer weiß wohl, daß es seinen Menschenkindern nicht frommen würde, 
n sie selber das Goldinachen lernten und die Habgier nach Wunsch befriedigen 
en Nur das Gold hat für den Menschen wahren Wert, daß er sich im 
hweiße seines Angefichies erwirbt, zu dessen Besih er mit Übung und An— 
enung der ganzen vollen Menschenkraft gelangt. Darum haben die über— 
e Goldschähe, welche die Spanier und Portugiesen aus der neuen Welt 
8 en diesen Volke keinen besonderen Segen, ja sogar manches Unheil und 
erben gebracht, denn mit dem leichten Besitze versanken die Menschen in 
igheit und Faulheit; mit der Leichtigkeit, alle Leidenschaften befriedigen zu 
un n kamen Schwelgerei, böser tückischer Sinn, Laster aller Art in die Ge— 
erz mit dem Reichume wuchs die Schlaffheit und Selbstsucht. 
auch habe oben die Glanzseite des schönen Kalifornien gezeigt, aber es hat 
dane m furchtbare Schattenseite. Fortwährend bringen die Zeitungen davon 
Gold n Neid und Zank und Zwietracht, ja Mord und Totschlag unter den 
m ern ausbrechen. Wie solle es auch anders sein? Schon die Begierde, 
in da m Haupt des Menschen zur Erde beugt, und wie einen Maulwurf ihn 
aus de cholle wühlen läßt, verscheucht alles Überirdische, alles Edle und Heilige 
9 n Gemüten Wer will den Stärkern abhalten, wenn er den Schwächern 
nin beraubt, und im Falle des Widerstandes ermordert? Zucht und Ord— 
bh en schwinden, wo die Leidenschaflen regieren. Ferner: Kalifornien ist 
angebaut, und die Lebensmittel müssen über weite Landstrecken und 
on nnefubrt werden. Die Verkäufer stellen dann das Hundertfache, ja das 
ndfache von dem gewohnlichen Preisen Die Schabgräber, wollen sie nicht
	        
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