Full text: Deutsche Prosa von Luther bis zu Lessing (Band 7, [Schülerband])

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hatte, befliß mich aber daneben, daß ich diesen Überfluß nicht mißbrauchte. Ich 
wünschte oft, daß ehrliche Christenmenschen bei mir wären, die anderwärts 
Armuth und Mangel leiden müssen, sich der gegenwärtigen Gaben Gottes zu 
bedienen; weil ich aber wohl wußte, daß es Gott dem Allmächtigen mehr als 
möglich, dafern es anders sein göttlicher Will wäre, mehr Menschen leichtlicher 
und wunderbarlicher Weis hieher zu versetzen, als ich hergebracht worden, gab 
mir solches oft Ursach, ihm um seine göttliche Vorsehung, und daß er mich so 
väterlich vor andern viel tausend Menschen versorgt und in einen solchen ge¬ 
ruhigen friedsamen Stand gesetzt hatte, demütig zu danken. 
Das dreiund;Kran;igste Kapitel. Der Monachus* beschließt seine Histori und macht 
diesen sechs Büchern ein Ende. 
Damit mich nun meine Gedanken destoweniger mit Sünden beflecken sollten, 
befliß ich mich nicht allein aus dem Sinn zu schlagen, was nichts taugte, 
sondern ich gab mir selbst eine leibliche Arbeit auf, solche neben dem gewöhn¬ 
lichen Gebet zu verrichten; denn gleich wie der Mensch zur Arbeit, wie der 
Vogel zum Fliegen geboren ist, also verursacht hingegen der Müßiggang, beides, 
der Seele und dem Leib ihre Krankheiten und zuletzt, wenn man's am wenigsten 
wahrnimmt, das endlich Verderben. Deswegen pflanzte ich einen Garten, dessen 
ich doch weniger als der Wagen des fünften Rades bedurfte, weil die ganze 
Insel nichts anders als ein lieblicher Lustgarten hätte genannt werden mögen; 
meine Arbeit taugte auch zu sonst nichts, als daß ich das eine und andere in 
eine vollständigere Ordnung brachte, obwohl manchem die natürliche Unordnung 
der Gewächse, wie sie da untereinander standen, anmuthiger vorgekommen sein 
möchte, und dann, daß ich, wie obgemeldt, den Müßiggang abschaffte. O wie 
oft wünschte ich mir, wenn ich meinen Leib abgemattet hatte und demselben seine 
Ruhe geben mußte, geistliche Bücher, mich selbst darin zu trösten, zu ergötzen und 
aufzubauen! Aber ich hatte solche deshalb nicht. Da ich aber früher von einem 
heiligen Mann gelesen, daß er gesagt, die ganze weite Welt sei ihm ein großes 
Buch, darinnen er die Wunderwerke Gottes erkennen und zu dessen Lob ange¬ 
frischt werden möchte, so gedachte ich, demselbigen nachzufolgen, wiewohl ich so zu 
jagen nicht mehr in der Welt war; die kleine Insel mußte mir die ganze Welt 
sein, und in derselbigen ein jedes Ding, ja ein jeder Baum ein Antrieb, zur 
Gottseligkeit und eine Erinnerung zu denen Gedanken, die ein rechter Christ haben 
soll. Also: sah ich ein stachelicht Gewächs, so erinnerte ich mich der Dornen¬ 
krone Christi: sah ich einen Apfel oder Granat, so dachte ich an den Fall unserer 
ersten Eltern und bejammerte denselbigen; gewann ich ein Palmwein aus einem 
Baum, so bildete ich mir vor, wie mildiglich mein Erlöser am Stamm des 
Heiliges Kreuzes sein Blut für mich vergossen; sah ich Meer oder Berg, so 
erinnerte ich nüch der einen oder andern Wunderzeichen und Geschichten, so un¬ 
ser Heiland an dergleichen Orten begangen; fand ich einen oder mehr Steine, so 
zum Werfen bequem waren, so stellte ich mir vor Augen, wie die Juden Christum 
steinigen wollten; war ich in meinem Garten, so gedachte ich an das ängstige 
Gebet am Oelberg oder an das Grab Christi, und wie er nach der Auferstehung 
Maria Magdalena im Garten erschienen u. s. w. Mit solchen und dergleichen 
Gedanken hantierte lch täglich; ich aß nie, daß ich nicht an das letzte Abendmahl 
Christi gedachte, und kochte mir niemals keine Speise, ohne daß mich das gegen¬ 
wärtige Feuer an die ewige Pein der Höllen erinnert hätte. 
Endlich fand ich, daß mit Brasiliensaft, von dem es unterschiedliche Gattung 
aus dieser Insel gab, wenn solche mit Citronensaft vermischt werden, gar wob!
	        
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