318
Das ist auch heute unsere Freude und unser Trost, daß nach diesen Lichtblicken
auf das Saatfeld des werdenden Mannes, auf das Ehrenfeld des ruhmgekrönten Helden,
auf das Arbeitsfeld des opferbereiten Volksfreundes und auf das Dornenfeld des gott¬
ergebenen Dulders wir nun nicht das Auge brauchen beruhen zu lassen auf dem Toten¬
felde der Königsgruft, sondern es erheben dürfen zu dem Erntefelde des seligen Über¬
winders, da Lorbeer und Rose geworden sind zu den Palmen himmlischen Friedens.
Er lebt! Und sein Gedächtnis soll auch unter uns fort leben und sein Name in
Ehren bleiben!
So oft wir unseren Kindern die edlen Helden der deutschen Ruhmeshalle vor die
Seele führen, kann seine hohe Gestalt nicht darunter fehlen, und wenn man von Menschen
redet, die mit lauterem Sinn das Größeste wollten, dann wird man auch seine blauen
Augensterne leuchten sehen; und wenn man singt und sagt von der Treue bis zum Tode,
da schlägt es wieder im deutschen Liede, sein treues deutsches Herz.
Ach, daß auch unsere Herzen so in Treue schlügen für alles Große und Edle,
alles Wahrhaftige und Menschenwürdige! Daß auch wir unter seines erhabenen Sohnes
Führung kämpften und lebten für die heiligen Güter, für die er gelebt und gekämpft.
Daß auch wir vor allem in uns und unsern Kindern das Zweifache pflegten,
wodurch der Mensch zum Menschen und der Fürst zum Fürsten wird: den ernsten Willen
und das warme Herz, das hohe Streben und das tiefe Empfinden, die deutsche Kraft,
die Gott fürchtet und sonst nichts mehr, und das deutsche Gemüt, das im Beglücken sein
Genügen hat!
O, wenn wir alle das beherzigten, daß man im realen Leben nicht Reelles leistet
ohne bleibende Ideale, und daß der Genius des Volkes nur dann seine hohen und kühnen
Bahnen gehen kann, wenn die Volksseele sich nährt an den tiefen und stillen Quellen
der ewigen Kraft und der ewigen Liebe, wenn wir mit andern Worten sein letztes
Vermächtnis an sein Kind: „Bleibe fromm und gut!" als seinen letzten Willen an
sein Volk heilig hielten: ja, das wäre der köstlichste Schmuck dieser Feier, das wäre das
herrlichste Geburtstagsgeschenk für unsern verklärten Kaiser; das wäre des Tages aller
Deutschen und des Mannes aller Deutschen würdig; das wäre der schönste Lorbeer für
sein teures Haupt und für sein edles Herz die schönste Rose. —
3. Paul Rirmß (*1850).
Unser Gesangbuch.
Predigt, gehalten zu Berlin am 16. Juni 1900.
(Manuskripts)
Psalm 119, 54: „Deine Rechte sind mein Lied im Hanse meiner Wallfahrt".
Die Bibel ist, wie wir in unserer letzten Betrachtung gesehen haben, der Urquell
des sittlich-religiösen Lebens unseres Volkes. Es ist das größte Werk der Reformation,
i) Anmerkung der Herausgeber. Herr Pfarrer D. Kirmß hat uns freundlichst das Manuskript
obiger am 16. Juli 1900 in der Neuen Kirche zu Berlin gehaltenen Predigt überlassen. Sie ist
einem Predigtzyklus entnommen, welcher aus Anlaß des 460 jährigen Jubiläums der Buchdruckerkunst
gehalten wurde. Die erste Predigt handelte von der Bedeutung der Buchdruckerkunst für unser sittlich¬
religiöses Volksleben, die zweite von der deutschen Bibel, die dritte vom Gesangbuch, die vierte vom
Katechismus.