Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

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Dritte Abteilung. Lyrische Poesie. 
Ade nun, ihr Berge, 
Du väterlich Haus! 
Es treibt in die Ferne 
Mich mächtig hinaus. 
2. Die Sonnt, sie bleibet 
Am Himmel nicht stehn, 
Es treibt sie, durch Länder 
Und Meere zu gehn. 
Die Woge nicht haftet 
Am einsamen Strand, 
Die Stürme, sie brausen 
Mit Macht durch das Land. 
3. Mit eilenden Wolken 
Der Vogel dort zieht, 
Und singt in der Ferne 
Ein heimatlich Lied. 
So treibt es den Burschen 
Durch Wälder und Feld, 
Zu gleichen der Mutter, 
Der wandernden Welt. 
4. Da grüßen ihn Vögel 
Bekannt überm Meer, 
Sie flogen von Fluren 
Der Heimat hieher; 
Da duften die Blumen 
Vertraulich um ihn, 
Sie trieben vom Lande 
Die Lüfte dahin. 
5. Die Vögel, die kennen 
Sein väterlich Haus; 
Die Blumen einst pflanzt' er 
Der Liebe zum Strauß, 
Und Liebe, die folgt ihm, 
Sie geht ihm zur Hand: 
So wird ihm zur Heimat 
Das ferneste Land. 
4) u 1. Abschied von den Lieben (Str. 1). 2. Motivierung der 
Wanderlust (Str. 253). 3. Verbindung der Fremde mit der Prnnt Str. 4 -5). ⸗ 
b) Grundgedanke: Das muntere Lied, in dem Wanderlust und Heimatsliebe so 
wunderbar zusammenklingen, zeigt, daß die Liebe Ort und Zeit überbrückt, daß sie 
zur Heimat macht „das vwt3 Land“. 
296. Lied eines Armen. 
Ludwig Uhland. 
1. Ich bin so gar ein armer Mann, 
Und gehe ganz ällei 
Ih mchte n nur einmal noch 
Recht frohen Mutes sein. 
2. In meiner lieben Eltern Haus 
War ich ein frohes Kind; 
Der bitt're Kummer ist mein Teil, 
Seit sie begraben sind. 
3. Der Reichen Gärten seh' ich 
blühn, 
Ich seh' die goldne Saat; 
Mein ist der unfruchtbare Weg, 
Den Sorg' und Mühe trat. 
4. Doch weil' ich gern mit stillem 
Weh 
In froher Menschen Schwarm 
Und wünsche jedem guten Tag 
So herzlich und so warm. 
5. O reicher Gott, du ließest doch 
Nicht ganz mich freudenleer; 
Ein süßer Trost für alle Welt 
Ergießt sich himmelher. 
6. Noch steigt in jedem Dörflein ja 
Dein heilig Haus empor; 
Die Orgel und der Chorgesang 
Ertönet jedem Ohr. 
7. Noch leuchtet Sonne, Mond und 
Stern 
So liebevoll auch mir, 
Und wann die Abendglocke hallt, 
Da red' ich, Herr, mit dir. 
8. Einst öffnet jedem Guten sich 
Dein hoher Freudensaal, 
Dann komm' auch ich im Feier— 
kleid 
Und setze mich ans Mahl. 
a) Inhalt: Ich bin arm, andere sind reich, und doch bin ich nicht ganz 
freudenleer: ich sehe die Kirchen, ich sehe die Schöpfung und hoffe einst zu Gott zu 
kommen — b) Gliederung: 1. Des Armen Klage (Str. 124). 2. Des Armen 
Trost (Str. 58). — )Gruündgedanke: Festes Gottbertrauen und Zufriedenheil 
machen zum Reichen den Armen.
	        
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