24
Erster Teil. In Haus und Hof.
Vater und Sohn nahmen auf dem Back eines Iagdwagens Platz,
und hinrich wählte statt der Chaussee einen kürzeren Zandweg. Bei
dem leichten, weichen Fahren erzählte es sich ja viel besser. Und
was hat einer nicht alles zu erzählen, der gerade aus dem Kaiser-
manäver kommt! Bei der Kaiserparade hatten natürlich die l 3. Ulanen
die ganze übrige Kavallerie ausgestochen. Und natürlich war die
zweite Schwadron mit ihrem Flügelmann, dem Gefreiten hinrich
Lohmann, am besten an Majestät vorübergekommen. Da war keine
Pferdenase auch nur um eines Strohhalmes Breite aus der Richtung
gewichen. Und wie schlau hatte derselbe Gefreite auf nächtlichem
Patrouillenritt die feindlichen Vorpostenstellungen erkundet. Und dann
der schneidige Reiterangriff am letzten Manövertage — im Ernst¬
fälle wäre die ganze feindliche Division in die Pfanne gehauen!
hinrich erzählte mit Feuereifer, und der Vater härte lächelnd zu.
Ja, solches Heldentum kannte er von seinen jungen Jahren her.
Freilich, etwas anders war's doch, als da unten bei Langensalza, aus
dem „langen hög", die beiden ersten Schwadronen der Gardedukorps
sich in Galopp setzten, hinein in das Höllengeknatter der Zündnadel¬
gewehren, dem bajonettstarrenden feindlichen Karree entgegen. . . .
2. Vas Gefährt hatte eben den Kamm einer hügelwelle ge¬
wonnen, und vor ihnen, in einem lieblichen Vachtale, lag breit und
behäbig der Hof Lohe im Schatten zweihundertjähriger Eichen. Um
das langgestreckte Wohnhaus bildeten Schafstall, Treppenspeicher, Back¬
ofen, wagenscheuer und häuslingskaten einen weiten Kranz. Zur
Linken zog sich dunkle Nadelholzwaldung am Wiesensaume hin, während
rechts lange Rckerstreifen die sanftgewellten Hügel auf und ab liefen.
Im Hintergründe dehnten sich unabsehbare heideslächen, zusammen
ein Besitz von fast 2000 Morgen. Und nun das alles im klaren, milden
herbstabendlicht — in den Fenstern des Gehöftes brannte still und
goldig das Sonnenfeuer, das Flüßchen im Wiesengrunde brannte wie
Silber, über der Heide lag das sommermüde letzte Rosaglühen ihres
Blütengewandes,- die weißleuchtenden Birken, stillfroh, und die dunklen
Wacholder, ernst beschaulich, standen wie im Traum, und alle Dinge
mit ihren Linien und Formen waren so zum Greifen nahe und doch
wieder von so stiller, feierlicher Größe. Kein Wunder, daß sich die
Rügen des heimkehrenden jungen Bauernsohnes weit auftaten, um
all den warmen Glanz der Heimat in sich aufzunehmen: „vader, up
de ganze wiede Welt giwt't man enen Lohhoff!" rief er aus. Kein
Wunder, daß des Rlten Brust sich dehnte, von einem Gefühl freudigen
Stolzes geschwellt, da er nun den starken Sohn und Erben auf den
Hof der Väter heimführte.
Dort unten, wo das Rbendgold in den Fenstern glänzte, hatten
sie gesessen in den Tagen Luthers — das vergilbteste Buch im pfarr-
archiv zu Wiechel meldete davon — wer will aber sagen, ob nicht
auch schon in den Tagen Wittekinds und Karls! Und auf diesem
uralten Erbe sollten seine Kinder sitzen — das hoffte Vater Loh-
mann — solange die goldene Sonne über der weiten Heide auf- und