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Südlich von Trakehnen verliert die Landschaft allmählich den einförmigen
Charakter der Tiefebene und geht in ein sanft gewelltes HSügelland über,
das nach der nur wenige Meilen entfernten russischen Grenze zu ganz beträcht—
liche Höhen erreicht. Dies Gebiet, das nach der Nationalität seiner Be—
wohner noch zu Litauen gerechnet wird, landschaftlich aber schon den Über—
gang zu Masuren bildet, schließt nach Süden eine sich etwa 4 Meilen in
westöstlicher Richtung hinziehende Forst ab; das ist die vielgenannte Rominter
Heide, die unser Kaiser alljährlich im Frühherbst aufsucht, wenn der Brunst—
schrei durch die Reviere schallt.
Seinen Namen führt das weite Waldgebiet — es bedeckt mehr als
4 Quadratmeilen — von dem Flüßchen Rominte, und das mit vollstem Recht:
die Rominte durchströmt die Heide in ihrer ganzen Ausdehnung von Südost
nach Nordwest, sie nimmt alle die Bäche und Rinnsale in sich auf, die dem
Wald den Überschuß an Feuchtigkeit entführen, sie trägt im Frühjahr das
geschlagene Klobenholz nach dem Orte seiner Bestimmung; vor allem aber
ist sie es, die der ganzen Forst ihr landschaftliches Gepräge verleiht, das ihren
Hauptreiz ausmacht. Mit unzähligen Windungen schlängelt sie sich zwischen
den waldigen Höhen hin, die bald weit auseinandertreten und üppig grünenden
Flußwiesen Raum lassen, bald mehr zusammenrückend mit hohem Steilufer
zum Fluß abstürzen. So bietet das Romintetal dem Wanderer in reiz—
vollstem Wechsel stets neue Landschaftsbilder, und es ist schwer zu entscheiden,
was anmutender auf Auge und Herz wirkt, der Blick aus dem Tale auf die
waldbedeckten Anhöhen, die sich zu immer neuen Rundbildern schließen,
oder die Ausschau von der Uferhöhe über die saftigen Wiesenflächen zu dem
jenseitigen Abhang und weithin den Lauf des Flusses entlang, bis sich der
Blick in dem bläulich dämmernden Grün der Ferne verliert. Und immer
ist die Rominte die Seele der Landschaft, ob sie nun, leise mit kristallklaren
Wellen über den moosbraunen Steingrund dahinplätschernd und die ein—
tauchenden Zweige sanft hin und her wiegend, aus der Nähe Auge und Ohr
bezaubert, oder von unten zwischen den hellgrünen Erlen- und Weiden—
büschen mit dem dunkeln Auge zur steilen Höhe emporgrüßt. Zu der Schön—
heit des Waldbildes trägt noch der reiche Wechsel in der Färbung des Laubes
bei: in das düstere Dunkel der Nadelhölzer mengt sich das freundliche Hell—
grün der Laubbäume. Das ist auch ein Vorzug, den die Rominter Heide
vor den meisten anderen ostpreußischen Wäldern hat: abgesehen von ihrem
Wasserreichtum, verdankt sie diesen der aus Lehm und Sand gemischten
Bodenart; in die vorherrschenden Kiefern- und Fichtenbestände ist fast überall
Laubholz reichlich eingesprengt, ja es finden sich sogar ganz ansehnliche
zusammenhängende Eichenpflanzungen. An der stattlichen HSöhe und der
kernhaften Kraft der Rominter Nadelhölzer hat nicht nur der Forstmann
seine Freude: die hundertneunzigjährigen Kiefern, die das Bauholz zu der
Hubertus-Kirche lieferten, erwiesen sich an Festigkeit den norwegischen Hölzern
weit überlegen, aus denen das Jagdhaus aufgeführt ist. Leider sind Stämme
von so ehrwürdigem Alter heute nur in sehr geringer Zahl noch vorhanden;