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Werk und konnte seinem hohen Auftraggeber schon nach kurzer Zeit seinen
Entwurf vorlegen. Von dem Grundsatz ausgehend, daß die Land⸗
wehr ursprünglich nur eben ein Notbehelf war und zu den neuern
Verhältnissen nicht mehr recht passen wollte, daß sie dagegen in politischer
Beziehung mancherlei Mißstände mit sich führte und militärisch nicht
Uunbedeutende Schwächen zeigte, suchte er vor allem die Notwendigkeit
einer Vermehrung der Kadres von Offizieren und Unteroffizieren dar—
zutun. Um diese zu ermöglichen, schien es ihm erforderlich, die bis—
herigen Bildungsanstalten zu erweitern, die dreijährige Dienstzeit bei—
zubehalten und eine stärkere Rekrutenaushebung einzuführen. Will man
sich von der Tragweite dieser Maßregeln eine Vorstellung machen, so
muͤß man sich erinnern, daß das preußische Heer im Frieden im Jahr
1820 130000, im Jahr 1854 (also 34 Jahre später) nur 8000 Mann
mehr zählte, während der Präsenzstand Frankreichs im Frieden 400000
Maͤnn betrug, mithin den preußischen um 262 000 Mann übertraf.
Der Landwehr fehlte es vor allen Dingen an jüngern Leuten und an
kriegstüchtigen Offizieren. Im September 1859 erging an Roon der
Befehl, sich mit dem Kriegsminister von Bonin wegen der Heeres⸗
reorganisation in Verbindung zu setzen. Ende Oktober trat auch eine
größere Kommission zur Beratung zusammen, und nach Kenntnisnahme
der Sitzungsprotokolle derselben arbeitete der Prinzregent den Reor—
ganisationsentwurf selbst um, indem er ihn mit den von ihm getroffenen
Änderungen dem Chef des Militärkabinetts, Freiherrn Edwin von Man—
teuffel, in die Feder diktierte. Am 5. Dezember 1859 erfolgte die Be—
rufung Roons zum Kriegsminister.
Wie die Organisation des Heers, so wurde das Mobilmachungs—
system umgeändert, die zeitraubende Zentralisation im Kriegsministerium
aufgehoben und die Moͤbilmachung den Generalkommandos übertragen.
Die Dienstpflicht erfuhr eine Herabsetzung von neunzehn auf sechzehn
Jahre, wogegen die Reservezeit von zwei auf vier Jahre erhöht wurde.
Einer der größten Vorteile des neuen Systems bestand unstreitig darin,
daß im Fall einer Mobilmachung in das gesellschaftliche Leben bei
weitem weniger empfindliche Eingriffe zu geschehen brauchten als früher.
Herr von Roon sprach seine Absicht klar in den Worten aus: „Es
spͤllen die jüngeren Brüder zuerst ihre Haut zu Markt tragen, bevor
die Familienväter an die Reihe kommen, bevor sie das Letzte einsetzen
für die Rettung und Unabhängigkeit des Vaterlandes“. Infolge der
Reform war die Feldarmee auf 281000 Mann, die Reservearmee
auf 132 800 und die Besatzungsarmee auf 130 000 Mann gebracht
worden, was außer der Artillerie und den Pionieren 544 700 Mann
ausmachte.
Zuerst zeigten sich die Früchte der Reform im Krieg gegen Däne—
mark; aber noch viel größere Triumphe erblühten ihr im Krieg gegen
streich, bei welchem die von Preußen aufgestellte Truppenmasse nicht