120 Fünfter Abschnitt.
sei ok den Stachel wedder wiesen würd, und de Schinnerie sull wedder los-
gahn; äwer dat Späuk in Nedderdütschland was tum Schatten worden, un
de Schatten kreg Fleisch un Bein und kreg en Namen, un de Namen würd
lut up de Strat raupen: „Upstand gegen den Minschenslachter!" — dat
was dat Feldgeschrie. — Äwer dat Feldgeschrie was kein Dagsgeschrie.
Nich en Hümpel unbedarwte junge Lüd, nich de Janhagel up de Strat fung
dormit an, ne, de Besten un Vernünftigsten treden tausam, nich tau 'ne
Verswörung mit Metz un Gift, ne tau 'ne Verbräuderung mit Wehr un
Wurt gegen andahne Gewalt; de Ollen redten dat Wurt, un de Jungen
schafften de Wehr. Nich up apne Strat bluckte die ierste Flamme tau Höcht:
wi Nedderdütschen lieden kein Füer up de Strat; ne, ein jeder stickte dat
still in sienen Hus an, un de Nahwer kam tum Nahwer und wärmte sik an
siene Glaut. Nich as en Füer von Dannenholt un Stroh, wat tauletzt blot
en Hümpel Asch äwrig lett, steg de Lauchen tum Heben, ne, wi Nedder¬
dütschen sünd en hart Holt, wat langsam Füer fängt, äwer denn ok Hitt
giwt. Und tau de dunnmalige Tied was ganz Nedderdütschland en groten
Kahlenmieler, de in sik swälte un glühte, heimlich un still, bet de Kahlen
gor wieren: un as sei frie wieren von Rok un Flackerflammen, dünn smeten
wi uns' Isen in de Kahlenglaut un smädten uns Waff un Wehr dorm, un
de Haß gegen den Franzosen was de Sliepstein, de makte sei scharp;
un wat dünn kam, weit jedes Kind up de Strat, un süll't dat nich weiten,
denn is't dütsche Mannspflicht för sienen Vader, em dat so intauremsen, dat
hei't siendag nich vergett.
22. Die Vorbereitungen in Preußen zu den Befreiungskriegen (1813).
Nach Heinrich Beitzke, Geschichte der Freiheitskriege. Bremen, 1883.
Die Aufrufe des Königes, welche durch das ganze Land und weit über
dessen Grenzen hinaus hallten, brachten eine Wirkung hervor, die sich nicht
genügend beschreiben läßt. Das nachfolgende Geschlecht wird davon immer
nur eine schwache Vorstellung haben; man mußte diese Zeit selbst durchlebt
haben. Alle Herzen wurden davon bis auf den Grund erschüttert. Auch
die Frauen, sonst wenig bekümmert um öffentliche Angelegenheiten, teilten
gleichmäßig das allgemeine Gefühl. Es war kein Mann, kein Weib, keine
Familie im ganzen Lande, die nicht schwere Unbill von den Franzosen er¬
litten hatte. Ganz abgesehen von der allgemeinen Schmach, die tief gefühlt
wurde, hatte fast jeder persönliche Beleidigung zu rächen und bittere Verluste
zu beklagen. Seit beinahe sieben Jahre waren tausend und aber tausend
Feinde im Lande, die auf Kosten desselben lebten, und denen man noch eine
unerschwingliche Kriegssteuer hatte zahlen müssen. Daher in allen Herzen
das eine Gefühl, das schimpfliche Joch abzuwerfen und blutige Rache zu
nehmen; daher der freudige Entschluß, mit Daransetzung des letzten Bluts¬
tropfens und des letzten Gutes bis zur Vernichtung zu kämpfen; daher der
Ausstand des ganzen Volkes auf den Ruf des Königes. Wie der Dichter
gesungen hat, so geschah es: „Das Volk stand auf, der Sturm brach
los." Die Universitäten lösten sich auf, weil Studierende und Professoren
zusammen die Waffen ergriffen, die oberen Klassen der Gymnasien wurden
leer; der Landmann verließ seinen Pflug, der Handwerker seine Werkstatt,
r