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13. Theoderich der Große.
Thüringer und die Alemannen im ganzen an den alten Stellen
geblieben. Nur der Osten hatte ein anderes Ansehen gewonnen;
denn das Land östlich der Elbe gehörte nicht mehr Deutschen,
sondern Slaven. Südlich zwischen Donau und Alpen aber saß
der neue Stamm der Baiern (Bojoarier), in welchem Goten
und Langobarden verbunden waren mit den alten Markomannen,
von deren srüheren Wohnsitzen im Lande der Bojer der ganze
Stamm den Namen erhielt. Weiter die Donau hinab saßen auf
dem rechten Ufer die Heruler, auf dem linken, gegen die Karpathen
hin, die Gepiden, sämtlich germanische Stämme. Von Norden
her näherten sich allmählich der Donau die Langobarden und
weilten damals grade in dem heutigen Mähren. So war also
die ganze westliche Hälfte unsres Erdteils germanischer Herrschaft
Unterthan; diese war an die Stelle der römischen Weltmacht ge¬
treten. die nur noch im Osten (Griechenland, Kleinasien, Syrien
und Ägypten) ein verkümmertes und vielfach gefährdetes Dasein
führte.
Man würde irren, wenn man sich diese Völker als völlig
roh, jedes nur auf eigene Hand und ohne Plan hin handelnd,
denken wollte. Im Gegenteil finden wir bei den Helden der
Völkerwanderung — bei Alarich, Genserich, Attila, Theoderich —
einen scharfen, weltumfassenden Blick. Zwar wissenschaftliche
Bildung besaßen sie noch nicht, und Griechen und Römer be¬
zeichneten sie deshalb als Barbaren. Selbst Theoderich der Große
konnte nicht schreiben und unterzeichnete seinen Namen, indem er
mit schwarzer Farbe über eine Schablone strich, in welche dieser
eingeschnitten war. Aber trotzdem paßt der Name von Barbaren
im heutigen Sinne nicht mehr auf diese Völker. Ihre schon ur¬
sprünglich so schöne, klangvolle Sprache war bereits durch die
Poesie weiter entwickelt und gebildet. Und die Sprache war ein
mächtiges Band unter allen diesen Völkern. Sänger besonders
zogen von einem Königshofe zum andern: und was zu Ravenna
vor Theoderich gesungen wurde, das konnte in Karthago bei den
Vandalen, in Paris bei Chlodovech, in Burg-Scheidungen bei
den Thüringen gleichfalls vorgetragen und verstanden werden.
Boten, Gesandtschaften und Briefe gingen und kamen von einem
Hofe znm andern; Geschenke wechselten, Ehen und Bündnisse
wurden geknüpft. So wußten diese Völker von einander und
kannten ihre Zusammengehörigkeit. Aus diesem Wechselverkehr
entstand schon damals das Heldenlied, eine treue Erinnerung
an die großen Thaten deutscher Helden in der Zeit der Völker¬
wanderung: aber die Dichtung gestaltet in kühner Weise die
Ereignisse um und rückt zusammen, was in der Wirklichkeit um
ganze Menschenalter aus einander liegt, was weite Räume von
einander trennen, sie mischt Sage und Geschichte. So singt sie von
Ermanarich, von Theoderich dem Großen (dem starken Dietrich