Full text: [Teil 5 = (Für Unter-Sekunda), [Schülerband]] (Teil 5 = (Für Unter-Sekunda), [Schülerband])

133 
Wir anderen verzehrten mittlerweile auf unseren Plätzen eine frugale 
Mahlzeit, denn wir mußten an dem festlichen Tage, den wir erlebten, mit 
kalter Küche vorlieb nehmen. Dagegen aber war der beste und älteste Wein 
aus allen Familienkellern herangebracht worden, so daß wir von dieser Seite 
wenigstens dies altertümliche Fest altertümlich feierten. 
Auf dem Platze war jetzt das Sehenswürdigste die fertig gewordene 
und mit rotgelb und weißem Tuche überlegte Brücke, und wir sollten denKaiser, 
den wir zuerst im Wagen, dann zu Pferde sitzend angestaunt, nun auch zu 
Fuße wandelnd bewundern; und sonderbar genug, auf das letzte freuten 
wir uns am meisten; denn uns deuchte diese Weise, sich darzustellen, sowie 
die natürlichste, so auch die würdigste. 
Ältere Personen, welche der Krönung Franz des Ersten beigewohnt, 
erzählten: Maria Theresia, über die Maßen schön, habe jener Feierlichkeit 
au einem Balkonfenster des Hauses Fraueustein gleich neben dem Römer 
Zugesehen. Als nun ihr Gemahl in der seltsamen Verkleidung aus dem Dome 
Zurückgekommen und sich ihr sozusagen als ein Gespenst Karls des Großen 
dargestellt, habe er wie zum Scherz beide Hände erhoben und ihr den Reichs¬ 
apfel, das Zepter und die wundersamen Handschuhe hingewiesen, worüber 
sie in ein unendliches Lachen ausgebrochen, welches dem ganzen zuschauenden 
Volke zur größten Freude und Erbauung gedient, indem es darin das gute 
und natürliche Ehegattenverhältnis des allerhöchsten Paares der Christen¬ 
heit mit Augen zu sehen gewürdigt worden. Als aber die Kaiserin, ihren 
Gemahl zu begrüßen, das Schnupftuch geschwungen und ihm selbst ein 
lautes Vivat zugerufen, sei der Enthusiasmus und der Jubel des Volkes 
aufs höchste gestiegen, so daß das Freudengeschrei gar kein Ende finden 
konnte. 
Nun verkündigte der Glockenschall und nun die Vordersten des langen 
Zuges, welche über die bunte Brücke ganz sachte einherschritten, daß alles 
getan sei. Die Aufmerksamkeit war größer denn je, der Zug deutlicher als 
borher, besonders für uns, da er jetzt gerade nach uns zuging. Wir sahen 
ihn sowie den ganzen volkserfüllten Platz beinahe im Grundriß. Nur zu 
sehr drängte sich am Ende die Pracht; denn die Gesandten, die Erbämter, 
Kaiser und König unter dem Baldachin, die drei geistlichen Kurfürsten, 
die sich anschlossen, die schwarz gekleideten Schöffen und Ratsherren, der 
goldgestickte Himmel, alles schien nur eine Masse zu sein, die nur von 
einem Willen bewegt, prächtig harmonisch und, soeben unter dem 
Geläute der Glocken aus den: Tempel tretend, als ein Heiliges uns 
entgegenstrahlte. 
Eine politisch religiöse Feierlichkeit hat einen unendlichen Reiz. Wir 
sehen die irdische Majestät vor Augen, umgeben von allen Symbolen ihrer
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.