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Wir anderen verzehrten mittlerweile auf unseren Plätzen eine frugale
Mahlzeit, denn wir mußten an dem festlichen Tage, den wir erlebten, mit
kalter Küche vorlieb nehmen. Dagegen aber war der beste und älteste Wein
aus allen Familienkellern herangebracht worden, so daß wir von dieser Seite
wenigstens dies altertümliche Fest altertümlich feierten.
Auf dem Platze war jetzt das Sehenswürdigste die fertig gewordene
und mit rotgelb und weißem Tuche überlegte Brücke, und wir sollten denKaiser,
den wir zuerst im Wagen, dann zu Pferde sitzend angestaunt, nun auch zu
Fuße wandelnd bewundern; und sonderbar genug, auf das letzte freuten
wir uns am meisten; denn uns deuchte diese Weise, sich darzustellen, sowie
die natürlichste, so auch die würdigste.
Ältere Personen, welche der Krönung Franz des Ersten beigewohnt,
erzählten: Maria Theresia, über die Maßen schön, habe jener Feierlichkeit
au einem Balkonfenster des Hauses Fraueustein gleich neben dem Römer
Zugesehen. Als nun ihr Gemahl in der seltsamen Verkleidung aus dem Dome
Zurückgekommen und sich ihr sozusagen als ein Gespenst Karls des Großen
dargestellt, habe er wie zum Scherz beide Hände erhoben und ihr den Reichs¬
apfel, das Zepter und die wundersamen Handschuhe hingewiesen, worüber
sie in ein unendliches Lachen ausgebrochen, welches dem ganzen zuschauenden
Volke zur größten Freude und Erbauung gedient, indem es darin das gute
und natürliche Ehegattenverhältnis des allerhöchsten Paares der Christen¬
heit mit Augen zu sehen gewürdigt worden. Als aber die Kaiserin, ihren
Gemahl zu begrüßen, das Schnupftuch geschwungen und ihm selbst ein
lautes Vivat zugerufen, sei der Enthusiasmus und der Jubel des Volkes
aufs höchste gestiegen, so daß das Freudengeschrei gar kein Ende finden
konnte.
Nun verkündigte der Glockenschall und nun die Vordersten des langen
Zuges, welche über die bunte Brücke ganz sachte einherschritten, daß alles
getan sei. Die Aufmerksamkeit war größer denn je, der Zug deutlicher als
borher, besonders für uns, da er jetzt gerade nach uns zuging. Wir sahen
ihn sowie den ganzen volkserfüllten Platz beinahe im Grundriß. Nur zu
sehr drängte sich am Ende die Pracht; denn die Gesandten, die Erbämter,
Kaiser und König unter dem Baldachin, die drei geistlichen Kurfürsten,
die sich anschlossen, die schwarz gekleideten Schöffen und Ratsherren, der
goldgestickte Himmel, alles schien nur eine Masse zu sein, die nur von
einem Willen bewegt, prächtig harmonisch und, soeben unter dem
Geläute der Glocken aus den: Tempel tretend, als ein Heiliges uns
entgegenstrahlte.
Eine politisch religiöse Feierlichkeit hat einen unendlichen Reiz. Wir
sehen die irdische Majestät vor Augen, umgeben von allen Symbolen ihrer