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den Christenmenschen, der dies findet, daß er sich um Jesu willen des
Kindes erbarme. Es ist getauft und heißt mit Namen Johann Friedrich.“
Der Stadtpfeifer nahm sein Brot in den einen Arm und das Kind
in den anderen und schlug den Zipfel seines langen Rockes um den
armen Wurm.
„Herr Gott!“ rief er, „du sollst mir nicht umsonst die Groschen
auf die Straße gelegt haben!“
Dieser kurze Ausruf aber war wie ein volles, brünstiges Gebet.
Erst als der Stadtpfeifer mit dem Doppelfund vor seiner Stuben—
türe stand, überkam ihn Zagen und Verlegenheit. Doch schon öffnete
Frau Christine und begrüßte ihn so zärtlich, als müsse der Gruß allein
jede Erinnerung an Streit und Unmut tilgen.
Der Stadtpfeifer legte das Brot auf den Tisch und das Kind
daneben. „Das habe ich unterwegs gefunden, Christine,“ sagte er trocken
und blickte dabei die Frau so ernsthaft an, daß sie laut lachen mußte,
und er selber lachte nun mit. Dann setzte er sich und erzählte treu—
herzig seine Geschichte und hob im Erzählen das Kind wohl ein dutzend—
mal auf, damit es ihn anlächle und er es küsse. Als er von den sechs
Groschen erzählte, da ward es auch der Frau ganz fromm zumute;
doch als er dann weiter seinen Bericht über den Fund des Kindes
beendet, sprach sie: „Du tatest recht, daß du das Würmchen mitgebracht
hast; morgen wollen wir zum Schultheißen gehen und ihm den Buben
einhändigen.“
Den Stadtpfeifer überlief es, wie wenn er mit kaltem Wasser
übergossen würde. Er erwachte erst jetzt zur klaren Überlegung. Daran
hatte er noch gar nicht gedacht, was es heiße, ein Kind aufziehen und
versorgen, und daß vor allem eine Mutter dazu gehöre, die sich mit
voller Liebe und Opferung des hilflosen Geschöpfes annehme. Nicht
ihm, sondern der Frau kam hier das entscheidende Wort zu. Es hatte
ihm so vorgeschwebt, als müsse der Kleine auf immer bei ihm in seiner
Pfeiferstube bleiben und dort aufwachsen so ohne weiteres wie ein
Blumenstock, den man ans Fenster stellt, zeitweilig begießt und im
übrigen unserem Herrgott überläßt. Nun fühlte er auf einmal, wie
gedankenlos er geträumt.
Er besann sich lange; er kämpfte lange mit sich selber. So viel
Kopfbrechens hatte er sich nicht gemacht seit der Stunde, wo er den
leichtsinnigen Entschluß faßte, das Bauernmädchen von Ebersbach zu
heiraten.