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Ich schritt durch eines Dörfchens stille Gassen,
kein Laut, vor einer Hütte saß allein
ein alter Mann, von seiner Kraft verlassen,
und schaute feiernd auf den Firneschein.
Zuweilen, in die Hand gelegt die Ltirne,
seh' ich den Himmel jenes Tales blaun,
den Müden seh' ich wieder auf die Firne,
die nahen, selig klaren Firne schaun.
's ist nur ein Traum. Wohl ist der Greis geschieden
aus dieser Lonne Licht, von Jahren schwer,'
er schlummert wohl in seines Grabes Frieden,
und seine Dank steht vor der Hütte leer.
Noch pulst mein Leben feurig. Wie den andern
kommt mir ein Tag, da mich die Kraft verrät'
dann will ich langsam in die Berge wandern
und suchen, wo die Bank des HIten steht.
Konraö Ferdinand Meyer.
118. Das Lied von der Glocke.
Vivo5 voco. Mortuos plango. Fulgura frango.
/^eftgemauert in der Erden
«*- steht die Form, aus Lehm gebrannt,
heute muß die Glocke werden!
Frisch, Gesellen, seid zur Hand!
von der Ltirne heiß
rinnen muß der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben,'
doch der Legen kommt von oben.
Zum Werke, das wir ernst bereiten,
geziemt sich wohl ein ernstes Wort,'
wenn gute Beden sie begleiten,
dann fließt die Krbeit munter fort.
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
was durch die schwache Kraft entspringt,'
den schlechten Mann muß man verachten,
der nie bedacht, was er vollbringt.
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