Full text: [Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband]] (Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband])

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zwanzig Fuhren brauchten wir. Es war ganz unglaublich schwer, das 
Fundament kunstgerecht auszuführen. Die Leute hatten keine Vorstellung 
von einer geraden Linie, da sie nur die kreisrunden ihrer Pontoks 
kennen, und ich mußte mehrere Wochen lang mit Wasserwage und 
Winkelmaß dabei stehen, bis wir gerade Linien heraus hatten. An 
einer Ecke des Fundaments mauerten wir eine versiegelte Flasche mit 
der Hausurkunde ein. 
Als das Fundament vollendet war, wurde das Ganze noch mit 
einer starken Zementschicht bestrichen, um auf diese Weise das künftige 
Wohnhaus vor den lästigen Termiten zu bewahren. 
Während des Fundamentbaues war mein Mann noch einmal mit 
zwei Wagen in Karibib gewesen, um einzukaufen, was noch alles für 
den Hausbau gebraucht wurde: viele Fässer Zement, Balken und Well¬ 
blech fürs Dach, verschiedene Farben, Terpentin, Öl, Nägel, Fenster¬ 
rahmen, Fenster, Glas, Türen und Schlösser. Teilweise hatten wir die 
Sachen aus Deutschland kommen lassen, teilweise in Swakopmund und 
Karibib bestellt. 
Als alles beieinander war, wurden die Mauern ausgeführt. Mein 
Mann verpflichtete etwa zwanzig bis dreißig Weiber jeden Alters, die 
die Backsteine nach dem Neubau tragen mußten. Jeden Morgen vor Be¬ 
ginn der Arbeit versammelten sie sich vor unserer Tür. Dann trat mein 
Mann heraus und gab einer jeden ein Pappkärtchen mit seinem Siegel. 
Am Abend mußten sie es wieder abgeben, und nur die wurden abgelohnt, 
die im Besitze eines solchen Kärtchens waren. Es war nämlich vorge¬ 
kommen, daß sich etliche einfach des Abends zum Ablohnen einstellten, 
ohne den Tag gearbeitet zu haben. Beim Wiederanfang der Arbeit 
nach der Mittagspause wurden die Weiber abermals gezählt, ob sich 
auch keine gedrückt hätte. Jede trug fünf Backsteine auf dem Kopf und 
im Gänsemarsch bewegte sich der Zug nach dem neuen Hause und wieder 
zurück an die Stelle, wo die aufgeschichteten Steine lagen. An der 
Spitze marschierte die Oberaufseherin, die alte Lene, nur mit einem alten 
Sack bekleidet, in den oben für die Halsöffnung ein Loch geschnitten 
war. Die anderen sahen ähnlich aus. Sie bewegten sich vollständig im 
Takt und sangen stundenlang dasselbe eintönige Lied in der Namasprache: 
„Eh, wir tragen Steine für Herrn Eckenbrecher, eh, Steine tragen ist 
schwer, eh, wir haben aber nun genug zu essen", und dann fing es 
wieder von vorn an. 
Der Unterkapitän Josua und sein Schwiegersohn Manuel Timbo 
führten die Mauern auf, und die Ecken mauerte mein Mann. Als 
Bindemittel diente verdünnter Lehm, den einige Weiber in Eimern her¬ 
beischleppen mußten. Und ich ging ab und zu mit Wasserwage und 
Lotblei, reichte mit Steine an und beaufsichtigte den ganzen Betrieb. 
Beim Mauern der Fenster stießen wir auf unerwartet große Schwierig-
	        
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