des lebhaften, schon von südländischer Heiterkeit durchwehten Lebens der
Bevölkerung, so versteht man den Stolz, mit dem der Franzose auf Paris
blickt, und begreift, daß es alljährlich das beliebte Wanderziel für viele
Fremde aus aller Herren Ländern bildet.
Aber wenn man einige Tage in Paris geweilt, all die Stätten besucht
hat, an die sich reiche geschichtliche Erinnerungen knüpfen, die Museen mit
ihren reichen Kunstschätzen kennt und ebenso die herrlichen Schlösser, wie
Versailles und St. Cloud, mit ihren großen Parkanlagen, so sehnt man
sich doch endlich wieder heraus aus dem lauten Geräusch und Getriebe
der Weltstadt und ist nicht betrübt, wenn hinter einem am fernen Rande
des Gesichtskreises der Eiffelturm verschwindet und das freie Land uns
wieder aufnimmt. Wir streben diesmal der Normandie zu, jener eigen--
tümlichen, von Sage und Geschichte umkränzten Halbinsel, an deren felsigen
Küsten die Wogen des Meeres branden. Das Innere des Landes bildet
meist eine wellenförmige, von mannigfachen Tälern durchzogene Hochfläche,
die ziemlich reich angebaut ist oder aber von großen Wiesen oder kleineren
Wäldern bedeckt wird. Merkwürdige Städte, unter denen Caen die be¬
deutendste ist, liegen im Lande zerstreut und haben bei ihrer Abgeschiedenheit
vom Weltverkehr in der Bauart ihrer Häuser und in den Sitten ihrer
Bewohner viel Fremdartiges aus früheren Zeiten sich bewahrt. Von ganz
besonderer Artung aber ist der Küstenstrich dieser Halbinsel und der süd¬
wärts in den Ozean vorragenden Bretagne. Sie steht unter dem Einfluß
des warmen Golfstromes, der hier gegen den Kanal hin vordringt und
die Küsten bespült. So besitzen denn diese Gebiete ein Klima, das mit
seinem Pflanzenwuchs an dasjenige der Mittelmeerländer erinnert, aber im
übrigen regenreicher ist. In den Parkanlagen und Gärten der norman¬
nischen Küsten sieht man hohe Drachenbäume, Kamelien und andere süd¬
liche immergrüne Bäume im Freien stehen. Die Bevölkerung dieses Ge¬
bietes, auf dem sich früh das germanische Volk der Normannen auf seinen
kühnen Fahrten ansiedelte, ist durch den beständigen Kampf mit dem Meere,
den sie als Fischer und Seefahrer zu bestehen haben, wetterfest und gestählt.
Die jungen Leute der Normandie und Bretagne liefern deshalb auch der
französischen Kriegs- und Handelsmarine die besten Matrosen.
111. HmiUfdaitl. Von Ijeinridi Hldcgrcver.
Velhagen & Klasings Monatshefte. 20. Jahrgang. (1905/6.) 2. Band. 8. 633.
fOtä nach Bonn oder auch nach Cöln hinunter ist der Rhein ein
-V? Romantiker: Burgen, Dome, Reben, Lieder und Sagen geben ihm
das Geleite. Von Cöln an wird das anders. Der Held und Sänger
wandelt sich allmählich zum holländischen Bauern und Reeder. Die schlanken
Glieder dehnen sich ins Breite, es fällt ihm lästig, gegen Bergriesen zu
kämpfen, er zieht einen gemächlichen Wandel und einen geruhigen Schlaf
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