Full text: [Untertertia, [Schülerband]] (Untertertia, [Schülerband])

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I 
prosa. 
Zagen. 
Die Siegfriedsage. (Nach dem Nibelungenliede.) Z 
Nach August Friedrich Christiau Vilmar. 
70. Siegfried. 
1. Kriemhilds und Siegfrieds Jilgend. 
Im Burgundenlande, auf der alten Königsburg zu Worms an dem 
Rheine, wuchs eine edle Königstochter nach des Vaters frühem Tode zw 
blühenden Jungfrau heran, voll Liebreiz und Anmut. Leise, ahnungsreiche 
Träume umschweben das sinnende Haupt der lieblichen Kriemhild in der 
5 stillen Abgeschiedenheit, in welcher sie der edelen Zucht und Sitte ihrer 
Zeit gemäß ihre Kindheit und erste Jugend verlebte. , Einen Falken, so 
zeigt ihr ein Traumbild, zieht sie auf und pflegt ihn als ihren Schützling 
manchen Tag — da stürzen sich zwei Adler herab und packen mit ihren 
grimmen Klauen das zarte Tier vor ihren Augen. Schmerzlich bewegt 
10 erzählt die Erwachende den Traum der lieben Mutter. „Der Falke," deutet 
diese das stille, süße und bange Ahnen der Tochter, „der Falke ist ein edler 
Mann, dem deine Zukunft bestimmt ist; wolle Gott ihn behüten, daß dn 
nicht früh ihn verlierst!" „Was sagt ihr, liebe Mutter, mir von einem 
Manne?" erwidert die Tochter; „ohne Minne eines Helden will ich bleiben, 
15 meine Jugendschönheit bewahren bis zum Tode, daß nicht meiner Lust mit 
Leide zuletzt gelohnet wird." — „Nun, versprich es nicht zu sehr — weiß 
es nicht allzu weit von dir!" entgegnete die Mutter; „willst du jemals von 
Herzen froh werden, so geschieht es von Mannes Minne. Du wirst eines 
edlen Helden schönes Weib." 
20 Heiter in fröhlicher Jugend, stark in frischem Mannesmute und gewaltig 
in kühner Kraft, ist inzwischen Siegfried, Siegmunds und Sieglinds Sohn, 
im Niederland zu Santen am Rheine schon als Knabe zum Helden heraw 
gewachsen und schon durch manche Lande hingezogen, um freudig seines 
riesigen Leibes wunderbare Stärke zu versuchen; da hörte er die Kunde vw 
0 Proben aus dem Nibelungenliede siehe S. 16.
	        
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