Full text: Für Klasse 2 (neuntes Schuljahr) und die Obertertia der Studienanstalten (Teil 8, [Schülerband])

Erst dadurch wurde es möglich, das Verbreitungsgebiet der Mensch¬ 
heit einerseits in die von Tieren beherrschten Wildnisse jedes Striches 
und andrerseits in den kalten Norden und auf die rauheren Hoch¬ 
länder zu erstrecken. Holzkohlen und angebrannte Knochen in den Über¬ 
resten, die der vorgeschichtliche Höhlenmensch Europas zurückließ, be¬ 
weisen, daß das Feuer in der Tat schon in jener Zeit sein 
Begleiter war. 
Die Wohltat des Feuers war zu groß, als daß sich der Mensch je 
wieder von ihm hätte trennen mögen, und nur um den Preis einer 
solchen Gegengabe entschloß er sich, einen Teil seiner behaglichen Für¬ 
sorglosigkeit aufzugeben; das Feuer wurde ein herrischer Erzieher des 
Menschen. Der Gedanke, es vielleicht auf immer wieder zu verlieren, 
war vielleicht eine Zeitlang der einzige, der in die Zukunft hinaus¬ 
flog und mit seiner Sorge die Gegenwart beherrschte. Eine Urfamilie, 
die einmal des Feuers teilhaftig geworden war, gestattete nicht mehr 
allen Händen im Schoß zu liegen; jede Zuckung der Flamme wurde 
ein Antrieb zu neuer, vorsorglicher Arbeit. Es lag etwas Bändigendes 
in diesem ewig durch sich selbst bedrohten und doch so hochgehaltenen 
Besitze. 
Sein Einfluß war darum noch belangreicher, als wir gemeinhin 
annehmen, weil wir ihn für älter halten müssen als die Erfindung der 
verschiedenen Arten seiner künstlichen Erneuerung. Diese finden wir 
fast überall in den Händen der Männer. Die Wahrung des Feuers 
aber lernen wir als Frauensache kennen; sie bildete den Mittelpunkt 
des Lebenskreises, den die Frau beherrschte. Dadurch wurde der Haus¬ 
halt der Frau noch unbeweglicher, in gewissem Grade schwerfälliger, 
als er schon gewesen war, aber eben dadurch erhielt er auch eine An¬ 
ziehungskraft von dauerndem Charakter. Der Mann wurde nun ständig 
und bald nicht mehr Gast an seinem Herde, sondern in Pflicht und Gegen¬ 
leistung ihm verbunden; um den Herd entstand das Haus in jederlei 
Sinn dieses Wortes. 
Die Frau erntete einen reichen Lohn für die Mehrbelastung, die 
sie als Feuerbewahrerin auf sich genommen hatte. Die Nahrung des 
Mannes fand eine annehmliche Verbesserung durch den Einfluß des 
Feuers. Dies mußte ihn veranlassen, auch mit seiner Beute immer 
wieder dahin zurückzukehren. So kam das Weib in die Lage, auch 
vom Mann einen Beitrag zur Erhaltung ihres Hauses zu fordern; 
die Grundlage für ein Bündnis, einen Vertrag mit gegenseitigen Ver-
	        
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