32. Lebensgeschichle des Flachses
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mitten durch die Leinwand, hier links, dort rechts, wie es die Form
des Hcmdchens verlangt, das aus ihr gefertigt werden soll. Die spitze
Nadel mit dem langen Faden durchbohrt die Linnenstücke an tausend
Stellen, und der Faden verbindet sie zum Kleidungsstück. Doch auch
jetzt ist die Not des Flachses noch nicht zu Ende. Kaum hat das
Kind das feine weiße Schürzchen oder Kleidchen, den schönen Kragen,
der aus dem Linnen angefertigt wurde, angezogen, so hat es unvor¬
sichtig hier einen Schmutzfleck, dort ein Tintenklexchen drauf gebracht;
die Kleider müssen zur Wäsche, ins heiße Wasser, in die scharfe Lauge
und beißende Seife. Hin und her wird die Wäsche gequält, gerieben
und gezupft, gleich einem Diebe aufgehängt, mit glühenden Plätteisen
gepeinigt, vom Kind selbst beim Spiele gar übel mitgenommen, hier
geschlitzt und dort vom Dorn durchstochen, bis das Linnen endlich so
dünn und schlecht geworden ist, daß kein Stich mehr halten will.
Da pfeift auf der Straße ein sonderbarer Mann ein abenteuerliches
Lied. Die Kinder kommen zur Mutter und bitten: „Komm, bring das
alte zerrissene Linnen zum Hadersammler!" — denn der Mann hat
rund um sich die schönsten bunten Bilder, und stets erhält das Kindlein
eines davon, wenn ihm die Mutter das alte Linnen gibt. Nun geht's
dem Flachs in seinen alten Tagen schlimm. Lange Zeit hat er dem
Menschen, seinem Herrn, treulich gedient; doch nun er alt und schwach
geworden ist, wird er in den Sack gesteckt und „Lump" geheißen. Der
Lumpensammler hat den Sack gefüllt und wirft ihn auf den Wagen zu
vielen andern Säcken mit gleichem Inhalt. Wo geht die Reise hin?
Es schlängelt sich der Weg den Berg hinan zum finstern Wald. Zwischen
schwarzen Fichten geht es fort ins düstre enge Felsenthal. Ein wilder
Gießbach schäumt über große Blöcke, die ihm bei jedem Schritte den
Weg versperren. Dort am brausenden Wasser steht ein Haus mit
einem Schaufelrad, das Tag und Nacht sich umdreht und Wasserfunken
sprüht. Ein Lärmen ist in dem Hause, als sollte die Erde untergehen.
Ein Pochen und Stampfen und Poltern tobt hier den ganzen Tag,
als wäre ein furchtbares Gewitter hier gefangen und wollte sich befreien.
Der Lumpensammler hält an; ein Mann erscheint in der Thür des
Hauses. Man schreit sich gegenseitig ein „Guten Morgen" in die
Ohren; die Lumpen werden abgeladen, genau besehen und verkauft.
Klein geschnitten und rein gewaschen kommen sie in Tröge mit gewaltigen
Stampfen. Unten an den Stampfen sind scharfe Messer; die zerreißen
das arme Linnen in tausend kleine Fäserchen.
Aus all den alten Spitzenkragen und Tüchlein, aus den weißen
Kleidchen wird ein weißer, dicker Brei. Diesen schöpfen geschickte Männer