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197. Der Specht.
Kermann Wagner.
Entdeckungsreisen im Wald und auf der Heide. 3. Ausl. Leipzig. 1873. S. 82.
Kommt der Frühling, so denken auch die Spechte daran,
eine Wohnung zu bauen, in der sie die Jungen sicher auffüttern
und grosz ziehen können. Nach vielem Suchen haben sie
endlich eine mächtige Buche gefunden, die mit glattem Stamm
hoch hinausragt. Der Specht weisz ganz genau, dasz die
grosze Buche innen angefault ist. Hoch droben ist eine
Stelle, an welcher ehemals ein starker Ast sasz. Dort macht
der Specht die Thür zu seiner Burg. Mit kräftigen Schnabel¬
hieben schlägt er ins mürbe Holz, dasz die Splitter umher¬
fliegen, und klammert sich dabei mit den Krallen in der Rinde
fest. Er macht das Loch so grosz, dasz er bequem hinein
kriechen kann. Männchen und Weibchen wechseln dabei
treulich ab; das letztere arbeitet während des Vormittags,
dann fliegt es nach Nahrung aus, und das Männchen hackt
weiter.
Ist der Eingang weit genug und ein Stück wagerecht in
den Baum hineingearbeitet, so wird die Röhre im Knie nach
unten hin fortgeführt und schlieszlich eine geräumige Höhlung
gemeiszelt, die grosz genug ist für die Eier und den brütenden
Vogel. Die Arbeit im Innern ist anfänglich beschwerlich und
anstrengend, denn der Vogel kann den Kopf in dem engen
Raume nur wenig zurückbiegen, um auszuholen. Die Späne,
die er anfänglich losbringt, sind deshalb auch klein, erst beim
Weiterrücken der Arbeit werden sie gröszer.
Obschon beide Spechte Tag für Tag fleiszig arbeiten,
währt es doch gewöhnlich ziemlich zwei Wochen, ehe alles in
stand ist. Der Grund der Höhlung ist mit feinen Holzspänchen
gefüttert; auf diese legt das Weibchen die Eier, gewöhnlich
3 oder 4. Diese sind klein, auffallend langrund, glänzend und
von rein weiszer Farbe.
Die jungen Spechte haben anfänglich ein grundhäszliches
Ansehen. Ihr Kopf erscheint im Verhältnis zum übrigen
Körper ungeheuer dick und unförmlich, und in den Schnabel-
winkeln stehn knorplige Knoten.
Jetzt suchen die beiden Alten am liebsten die Haufen
der Waldameisen auf, um möglichst viel Futter herbeischaffen
zu können, denn ihre Kleinen haben starken Appetit. Mit
ungeschickten Sätzen rücken sie gegen die Festung der Ameisen
an und schlagen mit kräftigen Schnabelhieben eine Bresche
hinein. Hei, wie das kleine schwarze Volk zornig hervorstürzt,
um den Störenfried abzustrafen! Meister Specht läszt sich aber
nicht irren. Da wo der dichteste Schwarm Ameisen wimmelt,
steckt er seine lange Zunge hinein. Diese ist in ganz sonderbarer
Weise gestaltet, nicht breit und weich wie bei den meisten
andern Geschöpfen, sondern rund und dünn, vorn mit einer