Full text: Lesebuch für Schlesien

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Bismarck, Moltke und Roon erscheinen; in ihrer Begleitung legt er den 
letzten Teil seiner Reise zurück. 
4. Die Ankunft in der Hauptstadt. 
1. Der blumen⸗ und girlandenbekränzte Potsdamer Bahnhof empfängt 
den Zug in Berlin. Der Bahnsteig ist überfüllt — ein donnerndes Hurra, 
untermischt mit dem Rufe: „Nieder mit Frankreich!“ ertönt. Der König 
steigt aus seinem Salonwagen, reicht dem greisen Wrangel seine Hand und 
schreitet dann langsam, die Hände links und rechts reichend, nach allen Seiten 
freundlich grüßend und von den Damen Blumensträuße entgegennehmend, 
ins Wartezimmer. 
Nach kurzem Verweilen besteigt er seinen Wagen und fährt langsam 
durch die dichtgedrängten, ihm zujubelnden Menschenmassen nach seinem 
Palais. Orkanartig erdröhnt dort noch einmal ein hunderttausendstimmiges 
Hurra; der König spricht einige Worte des Dankes von der Rampe, dann 
tritt er in sein Palais. 
2. Doch nicht lange wird dem von der anstrengenden Fahrt ermüdeten 
Monarchen Ruhe gegönnt; die Volksmenge umsteht noch immer den Palast 
und läßt nicht nach, bis er sich aufs neue am Fenster zeigt. Da entblößen sich 
rasch alle Häupter, und aus vieltausendstimmigem Chor braust die National⸗ 
hymne zu ihm hinauf, männlich, gewaltig, und doch zittert innere Erregung 
durch den Gesang. Der Feuergeist von 1813 leuchtet daraus hervor. 
Es ist elf Uhr. Noch immer wogt das Volk auf und ab vor dem Palast. 
Da erscheint Moltke, der schweigsame Denker der Schlachten. Stürmischer 
Willkomm wird ihm von allen Seiten zuteil; fast hebt man ihn auf die 
Schultern, um ihn ins Palais zu tragen. Eine halbe Stunde später, da 
die begeisterten Rufe nicht aufhören, treten einige Schutzleute unter die 
Versammelten: Der König lasse bitten nach Hause zu gehen, er habe noch 
viel zu arbeiten diese Nacht! „Der König will Ruhe! Nach Hause! Nach 
Hause!“ erschallt es durch die Menge, und in wenigen Augenblicken ist 
der ganze Platz geleert. — 
Noch spät in die Nacht hinein brannte die Lampe in dem königlichen 
Arbeitszimmer, und doch hat man schon in der Frühe des nächsten Morgens 
den rastlosen Fürsten wieder aus dem Portal des Palais hinaustreten sehen, 
einen leichten Soldatenmantel übergeworfen und eine einfache Dienstmütze 
auf dem Kopfe. 
3. Das Königliche Palais war tagelang vom Morgen bis zum Abend 
von Volksmassen umdrängt; so oft sich der König am Fenster zeigte, war
	        
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