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Dann ist der Obstgarten ein wahres Blütenmeer. Es sieht aus,
als ob die Obstbäume Tische seien, auf welchen weiße Laken mit
grünen Säumen liegen, und als ob unter ihnen ein grüner Teppich
ausgebreitet sei mit blauen Veilchen, gelben Primeln und weißge—
sternten Marienblümchen darauf. Die Tische sind besetzt mit süß
duftendem Honig und goldenem Blumenstaub, und Biene, Hummel
und Schmetterling kommen heran, um zu schmausen und zu naschen.
Aber die kleinen Näscher sollen nicht nur nehmen, sie sollen auch
geben; sie sollen die Blüten bestäuben und den Bäumen zu Frucht
und Samen verhelfen. Wie aber geht das zu? Wenn die In—
sekten in die Blüten kriechen, um Blütensaft und Blütenstaub zu
holen, kommen sie mit den Staubbeuteln in Berührung. Ein Teil
des Blütenstaubes bleibt an dem haarigen Körper der Insekten
haften, und sie fliegen damit zu andern Blüten gleicher Art hin—
über. Berührt nun bei dem Arbeiten des Insekts der mitgebrachte
Blütenstaub die Narbe des Griffels, dann geschieht es leicht, daß die
Bestäubung vollzogen wird. Wenn man aus einer Gegend, wo Obst—
bau getrieben wird, die Bienen und Hummeln entfernte, so würde
man nur wenig Obst bekommen. Man kann sich nun auch erklären,
warum die Obsternte nur gering ist, wenn zur Blütezeit Kälte,
Regen oder heftiger Wind vorherrschend war; die Insekten fliegen
ja bei solchem Wetter nur ungern und halten sich dann zumeist an
geschützten Stellen auf.
AÄber die Bäume bekommen auch Gäste zum Besuch, die
bloß nehmen, ohne zu geben, undankbares Gesindel, das die Blüten
zersticht und den Bäumen die Blätter abfrißt. Zu diesen unwill—
kommenen Gästen gehört auch ein guter Freund der Kinder, der
Maikäfer, der besonders die Blätter der jungen Obstbäume manch—
mal so arg beschädigt, daß sie die nötige Nahrung aus der Luft
nicht aufnehmen können.
Der Apfelblütenstecher, ein kleiner, unscheinbarer Käfer, legt
im Frühjahr seine Eier in das Innere der noch zarten Blüten—
knospen. Wenn das Frühjahr lange kalt bleibt, haben die Lar—
ven Zeit, sich zu entwickeln. Sie fressen dann die inneren Teile
der Nüten auf, die Kronblätter werden trocken, und der Baum ist
um seine Frucht gebracht.
Der Ringelspinner, der im Juli fliegt, legt 200 bis 400 Eier
in einer Spirallinie um einen federkielstarken Zweig des Obst—
baumes, so daß ein Ring oder Gürtel dadurch entsteht. Aus
diesen Eiern kriechen im naͤchsten Frühjahr Räupchen hervor. Sie
lieben die Gesellschaft und sitzen oft zu mehreren Hunderten in
einem Neste beisammen, das sie gewöhnlich in einer Astgabel an—
legen. Sie fressen bei Tag und Nacht, erst die Blüten und dann
die Blätter.
Auch der kleine Frostspanner ist ein sehr gefährlicher Feind
der Obstbäume. Seine gelblichgrünen Raupen kommen im ersten