Full text: Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten

4 Poesie. — Balladen und Romanzen. 
An des Berges finstern Ort; Unter sich die steile Höhe, 
Vor ihm her mit Windesschnelle Hinter sich des Feindes Nähe. 
Flieht die zitternde Gazelle. 7. Mil des Jammers stummen Blicken 
5. Auf der Felsen nackte Rippen Fleht sie zu dem harten Mann, 
Klettert sie mit leichtem Schwung, Fleht umsonst, denn loszudrücken 
Durch den Riß geborstner Klippen Legt er schon den Bogen an; 
Trägt sie der gewagte Sprung; Plötzlich aus der Bergesspalte 
Aber hinter ihr verwogen Tritt der Geist, der Bergesalte. 
Folgt er mit dem Todesbogen. 8. Und mit seinen Götterhänden 
6. Jetzo auf den schroffen Zinken Schütt er das gequälte Thier. 
Hängt sie, auf dem höchsten Grat, „Mußt du Tod und Jammer senden, 
Wo die Felsen jäh versinken, Ruft er, bis herauf zu mir? 
Und verschwunden ist der Pfad. Raum für alle hat die Erde: 
Was verfolgst du meine Herde?“ 
295. F. v. Schiller: Der Kampf mit dem Drachen. 
1. Was rennt das Volk, was wälzt Der Hirte treibe ins Gefilde, 
sich dort Froh walle auf dem Felsensteg 
Die langen Gassen brausend fort? Der Pilger zu dem Gnadenbilde!“ 
Stürzt Rhodus unter Feuers Flammen? 4. Doch strenge blickt der Fürst ihn an 
Es rottet sich im Sturm zusammen, Und spricht: „Du hast als Held gethan; 
Und einen Ritter, hoch zu Roß, Der Muth ist's, der den Ritter ehret, 
Gewahr' ich aus dem Menschentroß; Du hast den kühnen Geist bewähret; 
Und hinter ihm, welch Abenteuer! Doch sprich! was ist die erste Pflicht 
Bringt man geschleppt ein Ungeheuer; Des Ritters, der für Christum sicht, 
Ein Drache scheint es von Gestalt, Sich schmücket mit des Kreuzes Zeichen?“ 
Mit weitem Krokodilesrachen, Und alle rings herum erbleichen. 
Und alles blickt verwundert bald Doch er, mit edlem Anstand, spricht, 
Den Ritter an und bald den Drachen. Indem er sich erröthend neiget: 
2. Und tausend Stimmen werden laut: „Gehorsam ist die erste Pflicht, 
„Das ist der Lindwurm, kommt und schaut, Die ihn des Schmuckes würdig zeiget.“ — 
Der Hirt und Herden uns verschlungen! 5. „Und diese Pflicht, mein Sohn u 
Das ist der Held, der ihn bezwungen! versetzt 
Viel' andre zogen vor ihm aus, Der Meister, „hast du frech verletzt, 
Zu wagen den gewalt'gen Strauß; Den Kampf, den das Gesetz versaget, 
Doch keinen sah man wieder kehren: Hast du mit freveln Muth gewaget!“ 
Den kühnen Ritter soll man ehren!“ „Herr! richte, wenn du alles weißt,“ 
Und nach dem Kloster geht der Zug, Spricht jener mit gesetztem Geist, 
Wo Sanct Johann's des Täufers Orden, „Denn des Gesetzes Sinn und Willen 
Die Ritter des Spitals, im un Vermeint' ich treulich zu erfüllen. 
Zu Rathe sind versammelt worden. Nicht unbedachtsam zog ich hin, 
3. Und vor den edeln Meister tritt Das Ungeheuer zu bekriegen; 
Der Jüngling mit bescheidnem nn Durch List und kluggewandten Sinn 
Nachdrängt das Volk, mit wildem Rufen, Versucht' ichss, in dem Kampf zu siegen. 
Erfüllend des Geländers Stufen. 6. „Fünf unsers Ordens waren schon, 
Und jener nimmt das Wort und spricht: Die Zierden der Religion, 
„Ich hab' erfüllt die Ritterpflicht. Des kühnen Muthes Opfer worden; 
Der Drache, der das Land verödet, Da wehrtest du den Kampf dem Orden. 
Er liegt von meiner Hand getödtet; Doch an dem Herzen nagte mir 
Frei ist dem Wanderer der Weg, Der Unmuth und die Streitbegier, 
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