Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

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„Sparen soll ich; aber wo es lassen?“ fragt Nachbar 
Ratlos. — Ist bei dir zu Stadt und Land keine Sparkasse und 
der Sparpfennig in deinem eigenen Gewahrsam nicht sicher, so mache 
einen wohlhabenderen und rechtlichen Mann zu deinem Einnehmer 
und bitte ihn dabei — nicht aus Mißtrauen, sondern wegen Lebens 
und Sterbens — um zwei Zeilen Bescheinigung über geschehene 
Einzahlung. 
Aber noch eins! Hat dir das Sprüchlein: „Spare was, so hast 
du was!“ das Sparen angeraten, so gerate aber doch nicht aufs 
Geizen, sondern laß rechts den Geiz und links die Ver— 
schwendung liegen und gehe unbeirrt die edle Mittelstraße der 
Sparsamkeit. I 
154. Geiz ist die Wurzel alles Übels. 
F. Anlfeld. 
1. In den Jahren 1779, 80 und 81 herrschte in unserem Vater— 
lande eine große Teuerung. Zu jener Zeit lebte in den Odergegenden 
ein Mann, dessen Feld hatte gut getragen, so daß er eine Menge Roggen 
in der Scheuer und endlich auf dem Boden hatte. Hoch waren die Preise 
schon im Herbste. Mit dem Winter und dem Frühjahre stiegen sie immer 
höher. Mancher Handelsmann klopfte an die Thür des Reichen; mancher 
Handwerker bettelte, er möchte ihm doch für gutes Geld ein Scheffelchen 
ablassen. Alle aber wurden abgewiesen mit der Antwort: „Ich habe 
mir einen Satz gemacht; der Boden wird nicht eher geöffnet, bis der 
Scheffel acht Thaler kostet. Dabei bleibe ich!‘ Und zum Zeichen hatte 
er an die Bodenthür eine große, schwarze 8 mit Kohle gemalt. — Der 
Winter verging; der Mai kam heran; die Preise waren hoch gestiegen; 
denn das Frühjahrswasser hatte großen Schaden gethan. 
Anm 7. Mai kam ein armer Leinweber zu dem Bauern. Sein 
Gesicht sah ver Hunger und Grämen aus wie graue Leinwand. Er 
zählte, damit der reiche Mann Geld sähe, für einen halben Scheffel drei 
Thaler zweiundzwanzig Groschen auf den Tisch. Die zweiundzwanzig 
Groschen bestanden aus Dreiern, Vierlingen, Groschen und Sechsern; 
denn der Mann hatte alles zusammengesucht. Der Bauer aber sprach: 
„Euer Aufzählen hilft Euch nichts; der Scheffel kostet acht Thaler; das 
ist mein Satz. Eher thue ich meinen Boden nicht auf. Und dann muß 
es ordentlich Silbergeld sein.“ Das Söhnchen des Bauern, ein Bürschchen 
von zehn Jahren, zupfte den Alten am Rocke und sagte: „Vater, gebt's 
ihm doch!“ Aber der Vater prägte ihm mit einem Rippenstoße andere 
Grundsätze ins Herz. Der Weber mußte sein Geld zusammenstreichen 
und heimwandern.
	        
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