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Nemand darf die kostbare Zeit in Müssiggang vergeuden.
Auch die Erwachsenen gehen daher, vom Schlafe neu gestärkt,
an ihre Geschãfte.
Der Landmann zieht singend mit seinen Pferden hinaus
aufs Feld; der Hirt treibt die muntere Herde auf grünende
Priften, und fröhlich beginnt der Handwerker seine Arbeit. Ja,
am Morgen regen sich alle Geschöpfe; Tiere und Menschen zeigen
Leben und Thätigkeit; — vwie dürfte ich da wohl trüge sein?
kellner.
1. Ein Engel Gottes gehet
im Sommer durch die Welt;
sein leiser Atem wehet
hin über Wald und Feld.
2. Geheimnisvolles Schweigen
rings auf der weiten Flur!
Die goldnen Ahren neigen
sich auf des Engels Spur.
3. Und eine sagt's der andern:
„Er kommt, er kommt heran!
Seht ihn vorüber wandern
auf seiner Sonnenbahn!“
4. Jetzt steiget er hernieder
ins grüne Wiesenthal;
wie schweigen da die Lieder
der Heimchen allzumal!
62. Der Engel des Sommers.
5. Die Quelle siehet schreiten
die hohe Lichtgestalt
und sagt's den schlanken Weiden,
die flüstern's zu dem Wald.
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6. Der Wald hat es vernommen, —
da wird er plötzlich still,
weil Gottes Engel kommen
und ihn besuchen will.
7. Die Buchen und die Eichen,
die Tannen sehn ihn ziehn;
die hohen Wipfel beugen
sie still und grüßen ihn.
8. Und durch die grünen Hallen,
wo Moos und Blumen stehn,
sehn sie ihn leise wallen
bis zu des Berges Höh'n.
9. Gott läßt die Leiter nieder
von Duft und Sonnenschein;
da steigt der Engel wieder
zum Himmel tief hinein.
Ferdinand Dieffenbach.
63. Der Baueruhof.
Unser Milchmann hatte uns vergangenen Sommer zu sich auf
seinen Hof eingeladen. An einem Sonntagsmorgen machten wir uns
auf den Weg dahin, und der Vater begleitete uns. Anfangs gingen
wir wohl länger als eine Stunde auf der großen Landstraße, dann
aber bog ein schmaler Feldweg rechts von derselben ab. Dieser Weg,
etwa eine halbe Stunde lang, führte zu dem Hofe unseres Milch—
mannes.