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Bei den meisten Pflanzen, die hier bei uns wachsen, laufen alle diese Ge¬
fäße, durch welche das Gewächs ernährt wird, unter der äußersten Rinde, in
dem sogenannten Bast in die Höhe. Wenn man daher bei einem Baume,
der doch seine meiste Nahrung aus der Erde an sich saugt, den Bast rings
umher vom Holze abschält, so muß er oben dürr werden und sterben. Die
Nahrungssäfte kommen erst in die Zellgefäße, von da in die Schlauchgefäßc.
An einem Baume ist erst außen die eigentliche Rinde oder grüne Oberhaut,
die kann man wegschälen, ohne daß der Baum stirbt. Dann kommt der
Bast, der im gemeinen Leben auch noch zur Rinde gerechnet wird, dann
kommt der Splint oder das junge Holz, dessen ringförmige Lage jedes
Jahr zum eigentlichen Holz erhärtet (daher die Jahrringe). Das Holz ist
nichts recht Lebendiges mehr, und dient den übrigen Theilen des Gewächses
mehr nur zum festen Boden und zur Stütze. Ganz inwendig nach der
Mitte hin findet sich bei jungen Bäumen und Zweiglein das Mark.
Die Blätter, sowie die grüne äußere Oberhaut der Pflanzen, haben
viele kleine Öffnungen, durch die sie Feuchtigkeiten und Luftarten in sich
saugen, aber auch Luftarten und Feuchtigkeiten von sich geben. Man hat
daher auch gesagt, daß die Pflanze mit ihren Blättern Athem holt, wie
das Thier mit der Lunge. Die Luftart, welche die Pflanzen, wenn die
Sonne auf sie scheint, aus ihren Blättern von sich geben, so lauge diese
grün sind, ist die Lebenslust. Daher ist es einem im Sommer, wenn die
Sonne scheint, in grünen Laubwäldern so gar wohlbchaglich, und dies nicht
blos um des kühlen Schattens willen, sondern auch der gesunden Luft wegen.
Daher sind auch, weil die Pflanzen so viel Feuchtigkeit aus der Luft an
sich ziehen und auch wieder aushauchen, die Gegenden, wo viel Wald steht,
immer feucht, und manche Insel, z. B. Barbados, die sonst Wasser genug
hatte, hat jetzt gar keinen Regen und keine Quellen mehr, weil die dortigen
Europäer (die nun zur Strafe dafür ihr Wasser viele Meilen weit von
andern Inseln herholen müssen) alle Wälder, die auf den Bergen standen,
abgehauen haben.
An der Pflanze ist freilich das, was man gewöhnlich am meisten
daran schätzt und sucht, das, um dessen willen man die meisten Gewächse
hegt und anbaut, die Frucht. Da ist nun zu bemerken, daß oftmals die
Gewächse gar keine Früchte tragen wollen, sondern nur in lauter Blättern
und Zweigen wuchern, wenn sie in gar zu fettem, nahrhaftem Boden stehen,
und es ihnen gar zu gut geht. Das weiß der Gärtner auch, darum schält
er ein wenig von der auswendigen Rinde und selbst etwas vom Baste
weg (aber ja nicht den ganzen rings umher), oder unterbindet ein Zweig¬
lein ziemlich fest mit Drahte, daß nicht so gar viele Nahrnngssäfte hinauf¬
steigen. Dann werden viele von den Knospen, die sonst nichts als Blätter
getragen hätten, in gute Fruchtknospcn umgewandelt. Geht es doch selbst
mit dem Menschen oftmals so, daß er, wenn es ihm äußerlich gar zu wohl
und zu reichlich ergeht, versäumt, solche gute Früchte zu bringen, wie der
liebe Gott von ihm verlangt. Der Gärtner muß daun durch manche äußere
Noth und Schmerzen zu Hülfe kommen, damit aus den wilden Blatt¬
knospen gute Früchte werden.
Der Früchte sind mancherlei: obstartige, Steinfrüchte, kürbis-
artige, auch Kapseln (wie beim Mohn), Hülsen (wie bei den Bohnen
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