Full text: [Teil 3 = 6., 7. und 8. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = 6., 7. und 8. Schuljahr, [Schülerband])

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während der fürchterliche Aschenregen an, der diese fröhlichste Stadt 
der Welt in eine Totenstadt verwandelt. In der Umgebung der 
Stadt begrub der gewaltige Aschenregen nicht nur viele Häuser, 
sondern erstickte auch zahlreiche Menschen. Erschütternde Auftritte 
spielten sich bei der Erkennung der Leichen ab. Eltern, die ihre 
Kinder in dem allgemeinen Durcheinander verloren hatten, fanden 
deren Leichen in der Verwahrung der Behörden. In vielen Fällen 
war es überhaupt unmöglich, Verschüttete zu retten, obwohl helden⸗ 
mütige Taten ausgeführt wurden. Beherzte Männer drangen 
wiederholt in Häuser ein, die bereits einzustürzen drohten. In 
mehreren Fällen kamen die Retter selbst ums Leben. Eine Frau 
mußte ihren gelühmten Mann vor dem Heranrücken der glühen⸗ 
den Lava zurücklassen. Ein junges Mädchen trug ihren sechzig— 
jährigen Vater auf dem Rücken fort. Während wir zur Lava em⸗ 
porsteigen, droht über uns der Krater des Vesuv. Beständig in 
schwärzlichen Windungen steigt eine mächtige Säule von Rauch 
und von Asche empor, die sich im Steigen zerteilt und wieder neu 
bildet. Man sieht durch diese dunkeln Windungen der Rauchsäule 
lange, helle, weißglühende Flammen emporstreben. Der Berg 
dröhnt und speit Rauch, Asche und Schlacke aus; links sprüht er 
Feuer und wirft Feuersteine und Feuermassen empor. Alle, die 
an die Lava herangehen, sind wie betäubt und geben ihrem Ein⸗ 
druck nur in kurzen, abgerissenen Worten Ausdruck. Ringsumher 
zwischen den Feldern und Weinbergen sind alle Wege schwarz von 
andrängenden Menschen; aber in dem großen Schweigen der Menge 
spricht nur das Dröhnen des Vulkans. Immer heller leuchtende 
Flammen blitzen aus der offenen Seite des Berges. In dem 
großen Talgrund, der durch einen früheren Ausbruch entstanden 
ist, in dem Tale, in dem die Oliven und die Weinreben auf der 
Lava aus uralter Zeit gediehen, liegt nun die neue Lava. 
Die riesige, schwarze Menge erhebt sich mächtig und unförmig 
wenige Schritte vor uns. Es scheint ein düsteres, ein schwarzes, 
totes, erstarrtes Meer. Aber es ist nicht tot. In der Tiefe lebt 
noch die Flamme, die immer wieder aufblitzt und ihre weiße Glut 
zeigt; unter unsern Füßen ist die Erde warm, wenige Schritte 
weiter ist sie brennend heiß. Rechts an dem andern Zweige der 
Lava, unter einer schwarzen, rauhen Schicht ist ein Glutofen ver— 
borgen. Die schwarze Schicht ist ganz dünn, darunter schwelt die 
Deutsches Lesebuch. Ausg. A. Dritter Teil. 
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