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That hat er mit seinem dicken, unteren Ende das Ansehen eines
Slempels oder Petschafts. Er ist inwendig hohl. Das dicke, untere
Ende desselben heißt der Fruchtknoten. Der aufsteigende, gelbgrüne,
längere Teil heißt der Staubweg, die Offnung oben die Narbe.
Wenn nun die Sonnenwärme den Blütenstaub in den Staubbehältern
gereift hat, dann springen diese auf. Viele Staubkörnchen fallen aus
hnen heraus, und es gelangt wenigstens ein Teil an den Stempel.
Bieser ist bei der Kirschblüte zu der Zeit, da die Staubbehälter auf⸗
springen, mit einem Tröpfchen oben an der Offnung versehen, und an
diesen Tropfchen bleiben die Staubkörnchen sitzen. Ist ein solches
Körnchen in die Offnung eingetreten, so senkt es sich durch den Staub—
weg hinunter bis in den Fruchtknoten. Nun beginnt eine wichtige
Veränderung in der Blüte. In dem Fruchtknoten befindet sich nämlich
eine Samenknospe, und diese bekommt durch das Hinzutreten des
Blütenstaubes die Kraft, zu reifen. Der kleine Fruchtknoten wird
immer dicker und größer. Ünterdes führt der Wind die weißen Blätter
der Krone hinweg, die Staubfäden verdorren, der grüne Kelch wird
braun und welk. Und wenn nach wenigen Tagen alle diese Teile ab—
gefallen sind, dann sieht man ganz deutlich die kleine, grüne Kirsche,
die nach und nach immer größer wird und zuletzt eine andere Farbe
annimmt. An der reifen Kirsche ist nichts mehr von den Blütenteilen
wahrzunehmen. Ähnlich wie die Kirsche wachsen die anderen Obst—
sorten. Bernstein.
187. Die Espo.
1. Als den Herrn ans Kreuz geschlagen
nun des Feldes Bäume sahn,
kam ein Zittern und ein Zagen
allen fernen, allen nah'n.
Nur der Espe Krone
liess die Blätter ohne
Beben in die Lũfte ragen,
gleich, als ging sie das nicht an.
2. Damals ward der Fluch gesprochen,
und ihn hörte Berg und Rluft:
„Dass dir sei dein Stolz gebrochen,
Attre künftig jeder Luft!
Andre Bäume zittern
nur in Ungewittern;
zitternd soll das Herz dir poel
wenn im Wald ein Vogel rutt!
3. Zittre, wo im Erdenkreise
künftig du entkeimst dem Staub!
Jedes Blatt soll zittern leise,
bis es wird des Herbstwinds Raub.