Full text: (Für das 4. und 5. Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

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Steine erst dann werden würden, wenn eine kunstgeübte Hand darüber 
fame. Seine Ware zu empfehlen, meinte der Knabe, sei nicht 
nötig, sondern er schaute nur einem von den Umstehenden nach dem 
andelen ins Gesicht und wischte sich mit der Schürze den Schweiß 
don der Stirne. Aber als der Bischof anfing, ihn zu fragen, ant⸗ 
wortete er munter und sprach: „Ich gehöre dem Sandweib von 
Solenhofen, und die Steine habe ich auf dem Berge hinter dem 
Kloster gemacht. Und wenn Ihr noch mehrere braucht, so dürft Ihr 
mir nur Eure Steinhauer migeben, so will ich ihnen zeigen, wie sie 
es anfangen müssen.“ 
12. Denn der Knabe war Benedikt, unser Fiegenhirtlein. Er 
hatte nach der Abendsuppe, bei der ihm seine Mutter von der neuen 
Kirche in Eichstädt erzählte, nicht mehr geschlafen, sondern ein Ge⸗ 
danke, der ihm unter dem Essen gekommen war, trieb ihn durch die 
Hintertür hinaus auf den Berg, wo seine Steine lagen, und von 
da mit ihnen in der mondhellen Nacht gen Eichstädt, wohin er den 
Weg genau kannte, von dem Sandhandel her. Seine Mutter erschrak 
freilich, als sie ihn in aller Frühe wecken wollte und das Vest leer 
fand. Und sie konnte nicht einmal gehen, ihn zu suchen oder ihm 
nachzufragen; denn die Fiegen waren schon alle aus den Ställen 
gelafsen und standen meckernd auf der Gasse oder naschten von den 
Blumenstöcken vor den Fenstern des Pfarrhauses. Übel oder wohl 
mußte sie tun, als wäre ihr Benedikt krank. Sie nahm Geißel und 
Slecken und trieb das Vieh selbst auf den Berg, wo sie den langen, 
langen Tag unter vergeblichem Warten und Sorgen zubrachte. Aber 
als sie abends hinter der gehörnten Schar das Dorf hinunterging, 
kamen einige Maultiere herauf ihr entgegen, und auf dem vordersten 
saß ihr Benedikt hinter einem Knechle des Fürstbischofs und zwar 
so munter, daß die Witfrau sogleich sah, es müsse ihm den Tag 
uber nicht schlecht gegangen sein. 
6. Und so war es auch. Der Bischof hatte sich sogleich für die 
Pflastersteine des Sandbuben entschieden und die fremden Stein⸗ 
metzen wieder in ihre Heimat entlafsen, den Knaben aber mit sich 
in sein Haus genommen, gespeist und versichert, daß er für ihn und 
seine Mutter sorgen wone. Dann hatte er ihn mit dem Bau⸗ 
meister, der das Steinlager untersuchen sollte, nach Solenhofen zu⸗ 
rückgehen lassen. 
Der Bischof hielt Wort. Nachdem Benedikt bei einem Meister 
Steinmetz in Eichstädt in der Cehre gewesen war, ließ er sich in 
Solenhofen nieder und hatte fortwährend so viele Bestellungen an 
Pflaster⸗ und Quadersteinen, daß es ihm und seiner Mutter nie mehr 
n dem täaglichen Brote fehlte. Karl Stöber.
	        
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