Full text: Auswahl deutscher Dichtungen aus dem Mittelalter

12 
Ihm müßt ihr danken, daß er mir Daß ihr noch Freude an mir seht, 
Das Herz gewandt, daß ich von hier Auch wenn mein Leben noch besteht. 
Aus diesem Leben freudig scheide Zuwei Jahre etwa oder drei 
Und so der Sünde Lockung meide. Slieb ich vielleicht noch bei euch frei, 
Wohl muß die Freude dieser Welt, Dann ist mein guter Herr wohl 
Die manches Herz befangen hält, lodt, 
Mit süßer Lust den Menschen kirren; Und ihr gerathet dann in Noth, 
Wie möchte sie ihn sonst verwirren, Und eure Armuth wird euch wehren, 
Von seinem Heile abzulassen? Ein Heirathgut mir zu gewähren, 
O laßt mich nicht von ihr erfassen! Um einem Manne mich zu geben. 
Weiß Gott, wie wenig mir gefaͤllt Dann führte ich ein kläglich Leben, 
Die Lust und Freude dieser Welt, Das schlimmer wäre als der Tod. 
Denn ihre Lust ist Herzeleid, Und käm' ich nicht in diese Noth, 
Und ihre Freude Traurigleit. Und könntet ihr mich noch beim 
Was sst ihr Lohn? — Ein bittrer Leben 
Tod! Des Herren einem Manne geben, — 
Was ist ihr Leben? — Sterbens- Dann meint ihr wohl, so wär es 
noth! recht, — 
Nichts ist gewiß, als daß schon Ich meine, schlimmer noch als 
morgen schlecht! 
Die Lust verwandelt wird in Sor- Denn lieb' ich ihn, so hab ich Noth, 
gen, Lieb' ich ihn nicht, hab ich den Tod. 
Und daß zuletzt die höchste Noth Mit Schmerz und Sorgen muß ich 
Uns überkommt — ein herber Tod. ringen, 
Es schirmet nicht Geburt noch Gut, Ein elend Leben hinzubringen. 
Nicht Leibesstärke, kühner Muth, Jetzt aber will mich Einer freün, 
Nicht Ehre schirmt, noch Tugend. Dem mag ich Leib und Seele weihn, 
Ach, unser Leben, unsre Jugend Mit dem werd' ich in Freuden leben 
Ist eitel Nebel nur und Staub, Ihm sollt ihr gern mich übergeben. 
Wir sind im Wind ein flatternd Er ist der beste Bauersmann, 
Laub. Denn alles, was er hebet an, 
Wohl ist ein Thox, der an die Welt, Gexäth sein Pflug geht allezeit, 
Der sich an Rauch und Nebel hält. Sein Hof ist reich, sein Feld ist 
Ihn trugt ein gleisnerischer Schein, breit, 
Der innnerlich hüllt Moder ein; Ihm stirbt kein Roß, verdirbt kein 
Zum Untergang ist der geboren, Rind, 
Denn Seel' und Leib geht ihm ver⸗ Bei ihm klagt nie ein weinend Kind, 
loren. Da ist's nicht heiß, da ist's nicht kalt, 
Drum, liebe Mutter, lasset fahren Da wird vor Jahren Niemand alt, 
Den Kummer, mir zu offenbaren, Da gibt es nicht Mühseligkeit, 
Daß ihr mein wahres Heil begehret. Da gibt es auch kein Herzeleid, 
Dann weiß ich auch, mein Vater Da gibt es Freude nur und Lust 
wehret Die nimmer fliehet aus der Brut 
Mir nicht das Heil, das ich erlange. Ja, dahin laßt mich ziehen 
Ihr wißt, es währt ja doch nicht lange, Und lasset mich entfliehen 
Gude, Dichtungen aus dem Mittelalter 
25
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.