Full text: Erlebnisse und Darstellungen aus den ersten acht Monaten des Weltkrieges ([Heft 1], [Schülerband])

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An der Spitze der Ernährungsfrage steht die harte Tatsache, daß wir 
mit alleiniger Ausnahme von Zucker kein Nahrungsmittel reichlich haben; 
einzelne haben wir sehr knapp, andere ausreichend. Die Hausfrau kann 
durch Wwechslung und Austausch der Nahrungsmittel dafür sorgen, daß 
leines der Familienglieder, die ihr anvertraut sind, zu hungern braucht. 
Sie kann es um so leichter, je fleißiger und erfinderischer sie beim Kochen ist. 
Die Hausfrau muß aber auch dafür sorgen, daß im ganzen weniger 
gegessen wird. Das gilt natürlich nicht für den Haushalt, in dem die Miltel 
ohnehin gerade zum Sattessen langen. Aber eine ganz gewaltige Zahl 
von Deutschen ißt tatsächlich zu viel. Im Durchschnitt kann man sagen, 
daß die Deutschen bisher um zwei Fünftel mehr gegessen haben, als sie 
brauchten, um satt zu werden und gesund zu bleiben. Das gestattet der 
Krieg nicht. Erstes Frühstück, zweites Frühstück, Mittag, Vesper, Aend— 
essen: das ist mehr, als der Mensch braucht. Wer frühzenig mit der Arbeit 
beginnt und spät zum Mittagessen kommt, braucht zweites Frühstück; 
nicht aber, wer spät aufsteht oder zeitig zu Mittag essen kann. Brot zur 
Vesper ist fast immer überflüssig. Da genügt gesüßter Kaffee oder ein 
Glas Milch. Nicht immer, wenn man Lust zum Essen hat, hat man Hunger. 
Es ist viel gesünder, seltener am Tage zu essen: morgens, mittags und abends. 
Viele Hausfrauen trifft die Forderung: mehr kochen! In doppeltem 
Sinn. Es kostet allerdings weniger Zeit, und es ist bequemer, das Fleisch 
zu braten. Aber das ist Fettvergeudung, und nur durch Zugabe von Ge— 
müse und Kartoffeln wird man von gebratenem Fleisch satt. Das Fleisch mit 
Kartoffeln und Gemüse kochen, erfordert zwar mehr Zeit und Achtsamkeit, 
aber es ist sparsamer, es ist kriegswirtschaftlich und sättigt gründlicher. 
Besonders im deutschen Norden und in Mitteldeutschland ist das beliebteste 
Wendessen Brot, Butter oder Schmalz und kalter Aufschnitt. Das ist 
schnell fertig. Aber die Brotration ist schmal, Butter muß gespart werden, 
Schmalz wird bei vermindertem Schweinebestande knapp werden, ebenso 
der kalte Aufschnitt. Im deutschen Süden und am Rhein ist das warme 
Abendessen viel mehr im Gebrauch. Es ist keineswegs teurer als Brot, 
Butter und Fleischbelag. Für die Hausfrau ist es zwar mühsamer, aber 
sie darf die Mühe im Kriege nicht scheuen. 
Das Haushalten im Kriege ist schwer und wird mit der Dauer des 
Krieges noch schwerer werden. Im Frieden war es der Stolz der Haus— 
frau, möglichst billig gewirtschaftet zu haben. Solche Sparsamkeit gilt im 
Kriege nichts. Die Mittel, an denen es zu sparen gilt, sind nicht die Geld— 
mittel des einzelnen, sondern die Nahrungsmittel des Volkes. Mit ihnen 
müssen die Frauen rechnen lernen. 
Die Nahrungsmittel sind gewiß zum Teil teurer geworden. Es ist 
unpatriotisch, und es ist gedankenlos, darüber zu murren. Kriegszeiten 
sind immer auch teure Zeiten gewesen. Der Krieg ist eine Zeit der Not und 
der Prüfung. Es ist gerecht, wenn die Daheimgebliebenen ebenso wie die
	        
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