135 —
an der Wahl des deutschen Königs teil. Sie wurden ursprünglich aus dem
Geschlechte der Premysliden von dem Adel gewählt; später trat jedoch
die Senioratserbfolge und dann die Erbfolge nach der Erstgeburt (Seite 133)
in Kraft. Im Innern war der Fürst unumschränkt. Er war der oberste
Richter und Heerführer, die Landesverwaltung führten in seinem Namen
die nach deutschem Muster eingerichteten obersten Hofämter. Alle Be-
sitzverhältnisse wurden nach dem aus Deutschland übernommenen Lehens-
wesen geordnet. Das Land zerfiel in Gaue (Zupa = die deutsche Graf-
schaft), in welchen ein vom Fürsten ernannter Burggraf (Kastellan)
über den Heerbann gebot, während der Gaurichter dem aus Mitgliedern
des Adels zusammengesetzten Gerichte (cuda) vorsaß. Der. Sitz des Burg-
grafen und des Gerichtes war die königliche Gauburg.
Der Adel schied sich allmählich wie in den deutschen Ländern
in einen höheren der „Herren“ (reichbegüterte Familien, ehemalige
Stammesfürsten und hohe reiche Beamten) und einen niederen (kleine
Lehensträger, diezum Kriegsdienste verpflichtet waren). In Böhmentratermit der
höheren Geistlichkeit seit frühester Zeit in einem Lan dtage (Land-
recht, ähnlich dem deutschen „Ding“) zusammen, der bis zum Schlusse
des 12. Jahrhunderts den Fürsten und den Bischof von Prag wählte und
über neue Gesetze und bedeutendere Rechtsstritte des Adels Beschlüsse faßte.
Der Bauernstand. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts lebten die
Bauern nach alter slavischer Weise in Kommunitätendörfern, zumeist als
Leibeigene ohne irgend welche Rechte. Daneben gab es halbfreie Hörige.
"Mit dieser Zeit führte die große deutsche Auswanderung deutsche An-
siedler in Menge wie in alle östlichen Nachbargebiete Deutschlands
auch nach Böhmen und Mähren. Die Fürsten nahmen sie gerne auf,
um einen höheren Ertrag ihres teils unbebauten, teils dünn bevölkerten
Besitzes zu erzielen. Namentlich der große Grenzwald gegen Bayern wurde
so an die deutschen Ansiedler zur Urbarmachung verteilt. Sie erhielten
gegen mäßige Abgaben an den Fürsten den Grund und Boden als. Eigentum
(Emphyteuse), waren persönlich frei, von allen Fronen befreit und
standen in ihren Dörfern unter eigenen Richtern (Schulzen), für schwerere
Fälle nur unter dem Gerichte der nächsten deutschen Stadt. Bald folgten
auch geistliche und weltliche Große, namentlich die Klöster, dem Beispiele
der Fürsten. Später setzten die Könige Wenzel I. und Premysl Otto-
kar IL deutsche Ansicdler mit denselben Rechten auch in slavische Dörfer,
%o daß im Laufe des 13. Jahrhunderts ganze Gaue von Böhmen, namentlich
die Grenzgebiete, germanisiert wurden. Im nördlichen Mähren wurde
nach dem Mongoleneinfalle durch Bischof Bruno von Schaumburg das zum
größten Teile von ungerodetem Wald bedeckte Gesenke und das von den
Mongolen verwüstete Odergebiet mit deutschen Kolonisten bevölkert.