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ausgebeutet wurden, zeigen die vielen Klagen, welche die Bedrückten
in Rom, wenn auch meist vergebl.ch, vorbrachten.
Aber auch Folgen anderer Art begleiteten die Erweiterung
der römischen Herrschaft. Wohin die Römer kamen, gründeten sie
Kolonieen, und wenn auch dieselben zunächst mehr für militärische
Zwecke bestimmt waren, so entstanden daraus doch nach und nach
Städte mit römischen Einrichtungen. So verbreitete sich allmälig
die geordnete innere Einrichtung des römischen Staatswesens über
weite Länder. Ueberall wurden Straßen angelegt, und dieselben
waren so dauerhast, daß an vielen Ölten noch bis auf den henti-
gen Tag Ueberreste kenntlich sind. Ferner siengen die Römer an,
seitdem sie mehr mit den Griechen in Berührung kamen, auch ihre
Bildung aufzunehmen, und wenn sie auch nicht schöpferisch in
Kunst und Wissenschaft wurden, wie die Griechen waren, fo ent-
stand^ doch durch die Pflege griechischer Bildung eine Veredelung
der bitten, ein mehr gebildetes römisches Leben, und dieses wurde
zugleich mit der Herrschast wieder in fremde Länder getragen.
So kam es^ daß im Laufe der Zeit römische Einrichtungen, Pil-
dung und Sprache sich fast nach allen Seiten des damals bekannten
Erdkreises hin ausbreiteten.
§. 68.
Tiberius und Cajus Gracchus.
Die Römer waren auch nach der Zerstörung von Karthago
in fortwährende Kriege verwickelt, theils um die Herrschast in den
neu erworbenen Ländern zu befestigen, theils um die Grenzen noch
zu erweitern. Es breitete sich aber die römische Macht jetzt aus
von den Säulen des Herkules bis nach Kleinasien und von der
Nordküste Afrikas bis zu den Alpen. Aegypten, die Länder an
der unteren Donau und jenseits der Alpen waren noch nicht
unterworfen.
Dieselben Verschlimmerungen indessen, welche durch die An-
Häufung von Reichthümern und die Lust an feineren Genüssen in
den römischen Sitten im Privatleben eintraten, wurden auch im
öffentlichen Leben des Staates von Jahr zu Jahr stärker. Der
ächte Vaterlandssinn und die alte, kräftige Liebe für den wahren
Ruhm und die wahre Größe des Staates schwanden immer mehr
und an ihre Stelle traten ehrsüchtige Plane Einzelner, Parteiun-
gen und die Sucht, durch den Staat sür sich Reichtümer zu ge¬
winnen. Der alte Ständeunterschied zwischen Patriziern und
Plebejern war längst verschwunden. Aber es hatte sich mit der