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T. Der niedersächsisch - dänische Krieg. 1625—1639.
Durch den böhmischen und pfälzischen Krieg hatte der Kaiser den Süden des
Reiches wehrlos zu seinen Füßen gelegt; nicht undeutlich ließ er die Absicht
merken, daß er auch den protestantischen Norden durch das Schwert seinen Plänen
fügsam machen wollte. Ein Vorwand fand sich bald. Es mußte dem Kaiser und der
Liga alles daran liegen, den Mansfeld und Christian von Braunscheig un-
schädlich zu machen. Diese waren nach den Lorgängen in der Pfalz zunächst nach
Holland, wo Christian im Kampfe bei Fleurus den einen Arm einbüßte, dann
über die Weser nach Niedersachsen gezogen, um dort Quartier zu finden. Christian
von Braunschweig wurde von dem niedersächsischen Kreise in Dienst genommen, und
Mansfeld setzte sich in Ostfriesland fest, das von seinem Kriegsvolk schrecklich
verwüstet wurde. Tilly war ihnen sofort nachgeschickt und stand bereits an der Grenze
des nieder sächsischen Kreises, der allerdings schon gerüstet war, aber um jeden
Preis seine Neutralität gesichert wissen wollte. Darum wurde aus Furcht, in
gefährliche Unternehmungen verwickelt zu werden, Christian von Braunschweig von
den verzagten niedersächsischen Ständen aufgefordert, ihr Land zu verlassen. Dieser wandte
sich nach Westfalen, um sich mit Mansfeld zu vereinigen. Ehe das aber geschah,
wurde er im August 1623 von Tilly in der Nähe von Stadtlohn ereilt und ge- 1623.
schlagen; nur mit 2000 Mann entkam er abermals nach Holland. Nachdem jetzt
Tilly die einzige Armee, auf die sich Niedersachsen hätte stützen können, vernichtet hatte,
achtete er die Neutralität Niedersachsens nicht mehr, sondern belegte den Kreis mit
Besatzungen, Einquartierungen und Durchzügen.
Als nun die Klagen der niedersächsischen Stände im ligistischen Heerlager und am
kaiserlichen Hofe mit ungnädigen oder ausweichenden Antworten erwidert wurden,
iahen auch die fremden Höfe ein, daß den politischen und religiösen Bestrebungen
des Kaisers ein Damm entgegengesetzt werden müsse, und vornehmlich entschloß sich
jetzt der englische Hof, dem verwandten Pfalzgrafen Friedrich und dem Protestantismus
beizustehen. Am 9. December 1625 wurde im Haag ein Bündnis zwischen Eng-
land, Holland und Dänemark zur Vertheidigung des niedersächsischen Kreises,
zur Abwehr der kaiserlichen Uebermacht in Norddeutschland und zum Widerstand gegen
die katholischen Restaurationspläne vereinbart. Da aber England und Holland selbst
nicht in der Lage waren, Krieg in Deutschland zu führen, verpflichteten sie sich, das
Geld zum Kampfe zu geben, während der ruhmsüchtige und eroberungslustige König
von Dänemark, Christian IV., erbötig war, das Schwert zu ziehen. Obgleich
die>er gern für das Haupt und den Beschützer der Evangelischen gelten wollte, so be-
stimmten ihn doch mehr politische Beweggründe, in die Geschicke Deutschlands einzu-
greifen. Sein Ziel war die Erwerbung der benachbarten Hochstifter Bremen, Verden,
Osnabrück und Paderborn und der beherrschende Einfluß im ganzen niedersächsischen
Kreise. Deshalb hatte er es mit allen Mitteln erstrebt, daß er, da er als Herzog von
Schleswig-Holstein auch deutscher Reichsfürst war, zum Kreisobersten des nieder-
sächsischen Kreises erwählt wurde. Seitdem hatten die niedersächsischen Kreisstände
die Rüstungen eifriger betrieben, auch waren Christian von Braun schweig und
Mansfeld, die jetzt mit englischem Gelbe Truppen warben, wieder in ihre Dienste
getreten. Als nun Tilly selbst bas niebersächsische Lanb betrat und schnell Höxter
besetzte, wurde ihm von Christian IV. 1625 der Krieg erklärt. Doch konnte derselbe in
diesem Jahre noch nicht mit Erfolg betrieben werden, weil sich Christian zu Hameln bei
Schumann u. Heiuze. Lehrbuch. 04